Berlin: (hib/MPI) Der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition über die ursprünglichen Pläne hinausgehende Verschärfungen der Hartz-IV-Reform beschlossen. Der Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Reform ( 16/1410) sieht nunmehr vor, dass Beziehern von Arbeitslosengeld II (Alg II) bei wiederholten Pflichtverletzungen, etwa dem dreimaligen Ablehnen eines angebotenen Jobs, die Leistungen komplett gestrichen werden können. Dies bezieht sich nicht nur auf die Regelleistung, sondern auch auf die Zahlungen für Unterkunft und Heizung. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Plenum abschließend behandelt werden. Die Vertreter der Fraktion Die Linke hatten gleich zu Beginn der Sitzung aus Protest die Ausschusssitzung verlassen. Sie kritisierten, dass die Änderungen erst am Abend vor der Sitzung von der Koalition bekannt gemacht worden seien. "Quasi über Nacht" seien Verschärfungen eingefügt worden, die Langzeitarbeitslosen die in der Verfassung garantierte menschenwürdige Grundsicherung entzögen.
Bündnis 90/Die Grünen, die einen Antrag der Linksfraktion unterstützt hatten, die Entscheidung über die neuerlichen Verschärfungen von der Tagesordnung abzusetzen, kritisierten im Ausschuss, dass von der hundertprozentigen Kürzung auch an der Pflichtverletzung unbeteiligte Partner oder Kinder betroffen wären. Dies könne schlimmstenfalls die Obdachlosigkeit von Familien bedeuten. Die Union unterstrich, es sei "in der Tat der politische Wille der Koalition", dass derjenige, der wiederholt gegen die Regeln verstoße, auch die Konsequenzen tragen müsse. Niemand habe aber "die Absicht, Wohnungslosigkeit herbeizuführen".
Bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf war vorgesehen, die Kontrollen von Alg-II-Empfängern zu verschärfen. So sollen Außendienste eingeführt werden, die möglichen Leistungsmissbrauch aufdecken. Künftig sollen alle Personen, die länger als ein Jahr zusammenwohnen, als so genannte Bedarfsgemeinschaft eingestuft werden. Um ohne Abstriche Leistungen zu bekommen, müsste ein Langzeitarbeitsloser dann nachweisen, dass er mit seinen Mitbewohnern keine auf Dauer angelegte Gemeinschaft bildet. Zu der Frage, wie dieser Beweislastumkehr genügt werden soll, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in der Sitzung, er gehe davon aus, dass eine eidesstattliche Erklärung ausreiche.
Neu im Gesetzentwurf ist, dass im Unterschied zur früheren Sozialhilfe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und der Heizung grundsätzlich in pauschalierter Form erbracht werden. Darüber hinausgehende Leistungen, etwa zusätzliche Zahlungen für Kleidung in Übergrößen, werden ausgeschlossen. Auch bei Alg-II-Beziehern unter 25 Jahren kann laut Entwurf künftig das Geld für Unterkunft und Heizung vollständig gestrichen werden. Vorgesehen ist ferner, die bisherige Ich-AG und das Überbrückungsgeld zu einem neuen Existenzgründungszuschuss für Arbeitslose zusammenzufassen.
Die FDP-Fraktion kritisierte den Gesetzentwurf als "weiteres Kurieren am Symptom". "Wenn man bei Hartz IV Handlungsbedarf erkennt, dann genügt das, was auf dem Tisch liegt, definitiv nicht", betonten die Liberalen. Die SPD-Fraktion bemängelte, dass der Prozess der Fortentwicklung der Arbeitsmarktreformen von der Opposition fortdauernd "skandalisiert" werde. "Lernen im Prozess" sei aber für eine Reform dieser Größenordnung der richtige Weg.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Dr. Susanne Kailitz, Michael Klein,
Dr. Volker Müller, Monika Pilath, Siegfried F. Wolf