Berlin: (hib/MPI) Die gesetzlichen
Krankenkassen rechnen infolge der Gesundheitsreform mit
Kostensteigerungen in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro. Die
Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen
(VdAK), Doris Pfeiffer, sagte zum Auftakt der Anhörungen zu
dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (
16/3100) am Montagmorgen, zu den
zusätzlichen Ausgaben trügen unter anderem die
Einbeziehung der Palliativversorgung, der Schutzimpfungen und der
Eltern-Kind-Kuren in das Regelangebot der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) bei. Die Deutsche Hospizstiftung und die
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)
begrüßten ausdrücklich den geplanten rechtlichen
Anspruch auf eine professionelle Sterbebegleitung in der
Krankenversicherung. DGP-Präsident Professor Christof
Müller-Busch betonte, dies sei auch "ein ganz wichtiger
Schritt, den zunehmenden Forderungen nach aktiver Sterbehilfe etwas
entgegenzusetzen". Die Juristin bei der Deutschen Hospizstiftung,
Christine Eberle, bekräftigte diese Aussage, forderte aber
zugleich, die vorgesehene zusätzliche Genehmigungspflicht
durch Krankenkassen zurückzunehmen. Palliativ versorgt werden
könnten Patienten nach dem Entwurf nur dann, wenn dies erst
der Arzt verordne und dann die Krankenkasse genehmige, so Eberle.
Den sterbenskranken Patienten sei dieses Verfahren nicht zuzumuten.
Kontrovers beurteilten die Sachverständigen die von Union und
SPD geplanten Leistungskürzungen bei
Gesundheitsstörungen, die durch Piercings, Tätowierungen
und medizinisch nicht notwendige Schönheitsoperationen
hervorgerufen werden. Während die Spitzenverbände der
Krankenkassen dies im Grundsatz begrüßten,
äußerte sich der Verein Demokratischer Ärztinnen
und Ärzte (VDÄÄ) ablehnend. Der stellvertretende
Vorsitzende des VDÄÄ, Gerhard
Schwarzkopf-Steinhäuser, warnte, damit werde die Tür
geöffnet für den Leistungsausschluss etwa bei
Gesundheitsstörungen in Folge bestimmter Sportarten.
Außerdem würden "Ärzte zu Richtern" gemacht, was
eine empfindliche Störung des
Arzt-Patienten-Verhältnisses bedeute. Kritik gab es zum
Auftakt der Anhörung auch an dem Vorhaben, das Versäumen
von Vorsorgeuntersuchungen mit später höheren Zuzahlungen
finanziell zu bestrafen. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen
Hausärzteverbandes, Rainer Kötzle, sagte, es sei zwar zu
begrüßen, dass die Koalition die Vorsorge stärken
wolle. Besser geeignet als die vorgesehene Regelung sei aber,
Anreize für Versicherte zu schaffen, Vorsorgeuntersuchungen
wahrzunehmen. Dagegen erhielt die Koalition für den Plan, die
Möglichkeit von Wahltarifen in der GKV auszuweiten,
Unterstützung. Das Vorstandsmitglied der Techniker
Krankenkasse, Christoph Straub, verwies auf erste Erfahrungen mit
Selbstbehalttarifen, an denen sich 22.000 Versicherte beteiligt
hätten. Der Tarif rechne sich, unterstrich Straub.
Außerdem sei "keine Gefahr der Entsolidarisierung" zu
erkennen. Der Gesundheitsausschuss wird sich nach Worten der
Ausschussvorsitzenden Martina Bunge (Fraktion Die Linke) in einem
"Anhörungsmarathon" von 26 Stunden mit dem Gesetzentwurf der
Koalition befassen. Mitberaten werden zudem Anträge der
Oppositionsfraktionen (
16/1928,
16/1997 und
16/3096). Bereits am Montagnachmittag (15 bis
18 Uhr) findet im Anhörungssaal 3101 des
Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses die zweite von insgesamt sieben
Anhörungen statt. Dann soll es um die Fragen der
künftigen Organisation des Gesundheitswesens gehen.