Berlin: (hib/MPI) Die private
Krankenversicherung (PKV) sieht sich durch die Gesundheitsreform in
ihrer Existenz bedroht. Allein die im Gesetzentwurf der
Koalitionsfraktionen (
16/3100) vorgesehene Mitnahmemöglichkeit
der Altersrückstellungen bei einem Wechsel von einer privaten
Kasse in eine andere bedeute einen Beitragsanstieg um bis zu 28
Prozent, sagte der Direktor des PKV-Verbandes, Volker Leienbach, am
Mittwoch in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses. Die
Verpflichtung, künftig einen Basistarif anzubieten, dessen
Leistungsumfang und Höchstbeitrag der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) entspricht, werde zu weiteren
Beitragserhöhungen für die Altkunden führen.
Leienbach betonte, bei der Umsetzung der Reform werde die PKV nicht
als Vollversicherung erhalten bleiben, da aufgrund der enormen
Beitragssteigerungen immer mehr bereits privat Versicherte in den
Basistarif wechseln würden. So werde aus der PKV eine GKV
gemacht. Die Geschäftsführerin des Bundes der
Versicherten, Lilo Blunck, sprach von einem drohenden
"schleichenden Tod der PKV". Der Berliner Staatsrechtler Professor
Helge Sodan erwartete zahlreiche Klagen gegen die Änderungen.
Die geplanten Reformen wiesen eine Reihe von verfassungsrechtlich
bedenklichen Regelungen auf, erklärte Sodan. Mit der
Möglichkeit zur Mitnahme der Altersrückstellungen will
die Koalition den Wechsel des Versicherungsanbieters in der PKV
erleichtern. Allerdings sollen diese nur im Umfang des Basistarifs
berücksichtigt werden. Der Basistarif soll laut Koalition dazu
beitragen, dass "in Deutschland niemand ohne Schutz im
Krankheitsfall sein soll". Insbesondere ehemals privat
Versicherten, die ihren Versicherungsschutz etwa aufgrund von
Zahlungsunfähigkeit verloren haben, soll die Rückkehr in
die PKV ermöglicht werden. Aber auch freiwillig gesetzlich
Versicherte oder PKV-Altkunden sollen in den Basistarif wechseln
können. Eine Gesundheitsprüfung wird es laut Entwurf
nicht geben. Sozial Schwache müssen nur die Hälfte des
Beitrags zahlen; für Personen, die auch diesen Satz nicht
zahlen können, überweisen die Sozialträger maximal
125 Euro. Auch die Ärzte warnen vor den geplanten
Änderungen in der PKV. Der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler,
sagte, allein die Einführung eines Basistarifs bedeute
für die niedergelassenen Vertragsärzte ein Minus von rund
2,1 Milliarden Euro aufgrund des Wegfalls höherer Honorare von
privat Versicherten. Auf jede Praxis käme ein Ertragsverlust
von etwa 22.600 Euro zu. Wichtige Investitionen in die Ausstattung
der Praxis müssten unterbleiben, was auch den gesetzlich
Versicherten schade. Der Bamberger Sozialversicherungsrechtler
Professor Ulrich Meyer betonte, "die GKV-Versicherten
subventionieren die PKV-Versicherten". So blieben die privaten
Kassen vor Versicherten mit schlechten Gesundheitsrisiken
verschont, die die gesetzlichen Kassen tragen müssten. Die
Spitzenverbände der GKV widersprachen der These der
Quersubventionierung der gesetzlichen durch die private
Versicherung. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der
Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer, verwies darauf,
dass es eine flächendeckende medizinische Versorgung - auch
für die privat Versicherten - nur deshalb gebe, weil 90
Prozent der Bevölkerung gesetzlich versichert seien. Der
Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen/Controlling im
AOK-Bundesverband, Werner Schneider, fügte hinzu, dadurch,
dass junge, gesunde Gutverdiener in die PKV wechseln dürften,
würde der GKV Milliardenmittel entzogen. Der Ausschuss
für Gesundheit setzt seine Anhörungen zur
Gesundheitsreform am Montag, den 13. November, fort. Dann soll es
um die medizinische Versorgung gehen, und zwar zunächst von 9
bis 13 Uhr um diejenige durch Ärzte und Zahnärzte. Von 14
bis 16 Uhr steht die Versorgung in den Krankenhäusern auf der
Tagesordnung und von 16.30 Uhr bis 19.30 Uhr die weitere
Versorgung. Die Sitzungen finden im SPD-Fraktionssaal im
Reichstagsgebäude (3 S 001) statt.