Berlin: (hib/KOS) Angesichts der vom Rechtsextremismus ausgehenden Bedrohungen und der Gefahr einer sich zunehmend herausbildenden rechtsextremen Jugendszene bleiben staatlich unterstützte Projekte zur Bekämpfung solcher Tendenzen eine Daueraufgabe: Dies unterstrichen die Sachverständigen am Montag bei einer Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Anträge der FDP ( 16/2779), der Linkspartei ( 16/1542) und der Grünen ( 16/1498) zur Neuorientierung solcher Regierungsprogramme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zugrunde lagen. Im Prinzip wurde von den Experten die Absicht begrüßt, die Kommunen in solche Maßnahmen stärker einzubeziehen. Doch warnten einige Sachverständige davor, auf diesem Weg möglicherweise den Stellenwert des zivilgesellschaftlichen Engagements zu mindern.
Wie Grit Hanneforth ausführte, hätten die durch das bisherige Civitas-Programm geförderten mobilen Beratungsteams des Kulturbüros Sachsen in den Gemeinden die Sensibilität für die Herausforderungen durch Rechtsextremismus steigern können. Leider verträten immer noch viele Kommunen die Meinung, solche Probleme existierten bei ihnen nicht, beklagte die Geschäftsführerin des Kulturbüros. Wenn Civitas Mitte 2007 auslaufe, entstehe die "fatale Situation", dass dann viele über dieses Programm finanzierte Projektträger im Regen stünden. Wenn die Regierung mit einem neuen Programm Beratungsnetzwerke fördern wolle, dann solle man sich vor allem auf die Ressourcen bisheriger Initiativen stützen. Die Civitas-Aktionen haben aus Sicht Wilhelm Heitmeyers beim Einsatz gegen Rechtsextremismus spürbare Fortschritte bewirkt. Der Professor an der Universität Bielefeld mahnte, das Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen vor Ort in den Kommunen dürfe nicht von staatlichen Stellen dominiert werden. Es gelte vielmehr, diese Initiativen zu fördern, die nach anderen Regeln als Verwaltungen funktionierten.
Gegen eine zu starke Rolle von Kommunen bei der Umsetzung der neuen Programme gegen Rechtsextremismus wandte sich auch Roland Roth. Es drohe eine "Fehlsteuerung", so der Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal: Erfahrungsgemäß seien Gemeinden, die stark von Rechtsextremismus betroffen sein, auf diesem Feld weniger aktiv als Orte, die in geringerem Maße tangiert seien. Die alten Programme waren für Roth ein "Großexperiment beim bürgerschaftlichen Engagement". Er fürchte, dass die neuen Maßnahmen davon Abschied nehmen. Aus Sicht von Christian Lüders vom Deutschen Jugendinstitut trugen die bisherigen Projekte dazu bei, das "praktische Handwerkszeug" beim Vorgehen gegen Rechtsextremismus fortzuentwickeln. Dazu zähle etwa die Beratung von Eltern, deren Nachwuchs in solche Szenen abzudriften drohe. Lüders begrüßte es, künftig die lokale politische Ebene stärker einzubinden und Aktionspläne mit kommunalen Verantwortungsträgern zu entwerfen.
Andreas Lorenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit plädierte dafür, die Kooperation von Kommunalpolitikern und freien Initiativen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus auszubauen. Es komme nicht nur auf einzelne Modellvorhaben an, wichtig seien auch die "Regelangebote" einer kontinuierlichen Jugendarbeit. Für Doron Kiesel greifen die neuen Programme der Regierung die positiven Aspekte der bisherigen Projekte auf, bringen aber durch einen strukturierteren Ansatz deutliche Verbesserungen mit sich. Wie Lorenz machte sich der Professor an der Fachhochschule Erfurt dafür stark, die konkreten Aktionen einem Controlling zur Qualitätssicherung zu unterwerfen. Kiesel forderte, künftig auch den Rechtsextremismus und den Umgang mit dem Nationalsozialismus zu Zeiten der Ex-DDR sowie den religiösen Fundamentalismus zu thematisieren. Mike Ruckh wies darauf hin, dass kleinere Gemeinden mit bis zu 20000 Einwohnern Initiativen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht allein bewerkstelligen könnten und auf die Hilfe durch Bundesprogramme angewiesen seien, die unbürokratisch umgesetzt werden müssten. Gerade mobile Beratungsteams seien sinnvoll, da Jugendhäuser nur von zehn Prozent der Jugendlichen besucht würden, so der Oberbürgermeister von Sebnitz.
Christian Petry von der Freudenbergstiftung rief dazu auf, in das Engagement gegen Rechtsextremismus vermehrt Stiftungen einzubeziehen und die demokratische Bildungsarbeit in Schulen aufzuwerten. Martina Panke bedauerte, dass junge Arbeitnehmer und Berufsschüler als Zielgruppe aus den neuen Maßnahmen der Regierung weitgehend herausfielen. Die positiven Effekte der bisherigen Bundesprogramme seien auch deshalb wichtig gewesen, so die Leiterin der DGB-Bildungsstätte Nordbrandenburg, weil andererseits die Mittel für die Landesjugendarbeit gekürzt worden seien.
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