Berlin: (hib/BOB) Die im Justizmodernisierungsgesetz vorgesehene Stärkung der Opferrechte ist begrüßenswert. Dies sagte Professor Reinhard Böttcher, der Vorsitzende des Weißen Rings e.V., einem Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern, am Freitagnachmittag bei einer Anhörung des Rechtsausschusses. Unter anderem sei es zu begrüßen, dass beispielsweise den Eltern minderjähriger Verletzter ein Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung zugestanden werde. Es sei aber "unbefriedigend", dass sich die Bundesregierung dem Recht der Opfer auf Nebenklage "verschlossen" habe. Die Nebenklage sei zu einem Instrument des Opferschutzes geworden. Einer Bagatellisierung der Tat durch den Täter selbst müsse entgegengetreten werden. Dem Opfer selbst müsse das Recht eingeräumt werden, beispielsweise bei einer Vergewaltigung, dem nicht ganz seltenen Versuch des Angeklagten, sich auf Kosten des Opfers zu entlasten, entgegenzutreten. Thomas R.J. Franz, Rechtsanwalt aus Ketsch, war gleicher Meinung. Er führte zusätzlich aus, es entspreche geradezu dem Erziehungsgedanken, wenn sich Opfer und Täter im Gerichtssaal "gleichberechtigt" gegenübersitzen. Ein Opfer, das verfahrensrechtlich lediglich auf die Funktion eines Beweismittels reduziert sei, werde von dem Jugendlichen auch nur als solches wahrgenommen.
Rechtsanwalt Jens Schmidt aus Saarbrücken war anderer Meinung: Es stehe zu befürchten, dass der im Jugendstrafrecht verankerte Erziehungsgedanke ausgehöhlt werde, wenn dem Rechtsanwalt des Verletzten die Möglichkeit eröffnet werde, Fragen zu stellen. Selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, dass im Jugendstrafverfahren den Ausführungen des Bundesgerichtshofes folgend "die Sachaufklärung oder Wahrnehmung von Verfahrensinteressen" des Jugendlichen beeinträchtigt sein sollten, stünde aber zu befürchten, dass bereits die Diskussion über die Berechtigung einzelner Fragen das Jugendstrafverfahren negativ beeinflussen könnten. Schmidt kam zu dem Schluss, dass die neue Regelung jedenfalls in der vorliegend Fassung abzulehnen sei.
Das geltende Jugendstrafrecht gibt dem Opfergedanken nur marginalen Raum. Zu diesem Schluss kam Professor Frank Saliger von der Bucerius Law School aus Hamburg. In diesem Sinne zeigte der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung das Bestreben, die stärkere Opferorientierung auch im Jugendstrafrecht zur Geltung zu bringen. Es sei ein behutsamer Vorschlag, Informations- und Schutzrechte des Verletzten auch im Jugendstrafverfahren zur Geltung zu bringen. Zu unterstützen sei die Idee, die Anwesenheitsrechte für Eltern (oder die Erziehungsberechtigten) des Verletzten zu erweitern. Professor Bernd-Rüdeger Sonnen stellte die These auf, die Stellung des Verletzten im Strafverfahren sei "dringend verbesserungsbedürftig". Dem Opfer im Jugendstrafverfahren müsse die angemessene Beachtung verschafft werden. Die Einführung der Nebenklage in das Jugendstrafverfahren sei aber der falsche Weg. Sie sei den Opferinteressen nicht dienlich und werde eher die Fronten verhärten als dass zu einer Verantwortungsübernahme durch den Angeklagten beitrage.
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