Steinbrück: Glaube nicht an den Bierdeckel
Finanzausschuss - 29.11.2006
Berlin: (hib/VOM) Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück (SPD) glaubt nach eigener Aussage weder an die
Steuererklärung auf einem Bierdeckel noch an eine
Steuervereinfachung, die wie ein "Urknall" wirkt. Dies teilte er
dem Finanzausschuss am Mittwochvormittag mit, als er von
Bündnis 90/Die Grünen auf das langfristige Ziel einer
weiteren Vereinfachung des Steuerrechts angesprochen wurde. Anstatt
einen Beirat oder eine Kommission einzuberufen, wolle er vier bis
fünf Gespräche mit Steuerberatern führen, um sich
die dringendsten Probleme, die im Zusammenhang mit der
Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer oder der Umsatzsteuer
auftreten, schildern zu lassen. Diese Gespräche sollen im
Hinblick auf mögliche Steuervereinfachungen ausgewertet
werden. Alles andere würde angesichts des in 50 Jahren
gewachsenen Steuerrechts zu Asymmetrien und einem hohen
"Nachsteuerungsbedarf" führen. Das Thema einer
Kindergelderhöhung ist nach den Worten des Ministers derzeit
nicht aktuell, könnte es aber in zwei Jahren werden, wenn der
nächste Bericht über das erforderliche Existenzminimum
vorliegt. Dabei könne es zu einer Debatte über einen
besseren Einsatz der Mittel kommen. Eine Kindergeldanhebung um 5
bis 7 Euro würde "zweieinhalb kleinen Pils oder zwei
Schachteln Zigaretten" entsprechen. In der Summe ergäbe dies
jedoch einen Betrag von 1,5 bis 2 Milliarden Euro, der es
ermöglichen würde, die Kindergärten in Deutschland
gebührenfrei zu stellen. Der Mitteleinsatz zur Verbesserung
der Infrastruktureinrichtungen könnte im Sinne eines
"Transfers zu Gunsten von Kindern" daher die bessere Wahl sein, so
Steinbrück. Auf die Anfang 2008 in Kraft tretende geplante
Unternehmenssteuerreform angesprochen, unterstrich der Minister,
zur Gegenfinanzierung seien dabei keine "Wachstumseffekte"
eingerechnet worden. Damit habe er den Eindruck des
"Schönrechnens" vermeiden wollen. Von Unionsseite hieß
es dazu, die von Steinbrück angesprochenen Einnahmeverluste im
Jahr 2008 könnten aufgrund einer höheren
"Selbstfinanzierung" der Reform niedriger ausfallen als erwartet.
Bei dem jetzigen Körperschaftsteuersatz von 39 Prozent lohnten
sich steuerliche Gestaltungen, beim dann reduzierten Satz von 30
Prozent gelte dies aber nur noch für wenige. Die FDP-Fraktion
forderte für die geplante Föderalismusreform II
"möglichst ehrgeizige Ziele". Fünf bis sechs Länder
hätten bereits signalisiert, dass sie keine durchgreifende
Reform wollten, was nach Meinung der Liberalen "entmutigend" sei.
Die Erwartungshaltung im Land sei groß. Für den Minister
kann die Neuordnung der Finanzbeziehungen jetzt in Angriff genommen
werden, da es im Bundestag und Bundesrat übereinstimmende
Mehrheiten gebe, um Verfassungsänderungen durchzusetzen. Was
die Entwicklung der Haushalte der Gebietskörperschaften
angehe, sei der Bund "am schlechtesten dran". Steinbrück
äußerte allerdings auch Verständnis für die
Länder, die Angst hätten, auf die "schiefe Bahn" zu
geraten. Die Startvoraussetzungen von Ländern wie
Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg seien
verschieden. Im Übrigen warnte er davor, den bis 2019
vereinbarten "Solidarpakt II" zur Unterstützung der neuen
Länder wieder aufzuschnüren. Man sollte ihn "schlicht und
einfach ruhen lassen".
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