Berlin: (hib/SUK) Der Ausschuss für
Kultur und Medien hat am Mittwochnachmittag mit den Stimmen aller
Fraktionen außer der Linksfraktion der Novelle des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes (
16/2969) zugestimmt. Damit sind
Überprüfungen eines Personenkreises in "herausgehobenen
gesellschaftlichen und politischen Positionen" auch ohne
Anfangsverdacht für weitere fünf Jahre möglich. Das
Verbot, einem Mitarbeiter der Staatssicherheit diese ehemalige
Tätigkeit im Rechtsverkehr vorzuhalten, wird gestrichen.
Außerdem werden die Zugangsmöglichkeiten für
Wissenschaft, Forschung und Publizistik "unter Wahrung der
schutzwürdigen Interessen der Betroffenen" erheblich
erweitert. Vor der Abstimmung über den Gesetzentwurf hatten
die Fraktionen von Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die
Grünen ihrem gemeinsamen Änderungsantrag zugestimmt, der
bislang umstrittene Punkte der Novelle korrigiert. Alle Fraktionen
betonten in der Ausschusssitzung, dass keinesfalls ein
Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung gesetzt werden
dürfe. "Die Aufarbeitung muss weitergehen", betonte die Union,
die auch lobte, dass man nach "langen und intensiven" Debatten zu
einer einvernehmlichen Lösung gekommen sei. Die SPD stellte
fest, es gehe darum, dass nicht Menschen in herausgehobenen
Positionen in der Bundesrepublik tätig sein können, "die
schon einmal Menschen verraten und Vertrauen missbraucht haben".
Obwohl man es lieber gesehen hätte, die Überprüfung
hätte nur durch einen konkreten Verdacht ausgelöst werden
können, sei man froh über das Ergebnis, das in seiner
breiten Zustimmung der "Tradition des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
entspricht". FDP und Linksfraktion bemängelten nochmals die
Art, wie der Gesetzentwurf zustande gekommen sei: Man habe, so die
Linksfraktion, unter "unglaublichem Zeitdruck" gestanden. Die
Liberalen äußerten, es habe sich zu Anfang der
Beratungen der Eindruck ergeben, dass die Mitarbeit bestimmter
Fraktionen "auch nicht gewollt war". Dennoch stimme man dem Entwurf
nun zu, denn er sei ein Symbol dafür, "wie DDR-Geschichte
aufgearbeitet wird". Wichtig sei nun, dass die Behörden die
Informationen, die ihnen zur Verfügung stünden, auch in
Anspruch nehmen und damit "einen Akt der Hygiene vollziehen".
Massive Kritik am Gesetzentwurf äußerte die
Linksfraktion. Selbstverständlich müssten Opfer auch
künftig uneingeschränkten Zugang zu den Akten haben, aber
"die Regelanfrage, die Überprüfung hat aufzuhören".
Umfragen zeigten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung weitere
Überprüfungen nicht wolle. Zudem stelle die
Überprüfung einen Teil der Bevölkerung "unter
Generalverdacht". Die Bündnisgrünen nannte diese
Argumentation "inakzeptabel": Zur Mehrheit der Bevölkerung,
die weitere Überprüfungen ablehne, gehörten auch die
"Mitläufer und die, die schon früher nicht hingesehen"
hätten. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Marianne Birthler,
äußerte während der Ausschusssitzung ihre
Erleichterung darüber, dass "in letzter Minute" ein Kompromiss
gefunden worden sei, dem das "Parlament in großer Mehrheit"
zustimme. Sie bedauerte, dass in den vergangenen Monaten der
Eindruck entstanden sei, es gehe um einen Schlussstrich: Darum gehe
es weder im aktuellen Entwurf noch im ursprünglich
vorgelegten. Sie habe im Übrigen ihre mittlerweile vier
Überprüfungen nie als Verdacht empfunden, sondern als
"vertrauensbildende Maßnahme".