Berlin: (hib/HAU) Trotz der
Selbstverpflichtung der deutschen Kreditinstitute zur
Einführung eines Girokontos für jedermann auf
Guthabenbasis, besteht das Problem verweigerter Girokonten
weiterhin. Das wurde anlässlich einer öffentlichen
Anhörung im Finanzausschuss am Mittwochnachmittag deutlich.
Die geladenen Experten diskutierten dabei einen Bericht der
Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen
Kreditausschusses (
16/2265), der auf die Probleme verweigerter
Girokonten hinweist. Ebenso auf der Tagesordnung standen
Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (
16/818) und der Linksfraktion (
16/731), in welchen die gesetzliche Verankerung
des Rechtes auf ein Girokonto auf Guthabenbasis gefordert wurde.
Der Zentrale Kreditausschuss der deutschen Banken (ZKA) sieht,
anders als der Bericht der Bundesregierung, durchaus positive
Entwicklungen bei der Schaffung des Girokontos für jedermann.
Es sei gelungen, ein flächendeckendes Angebot von Girokonten
auf Guthabenbasis sicherzustellen. Bei Streitfällen habe sich
das Schlichtungsverfahren vor den Kundenbeschwerdestellen
bewährt. Es gebe daher keinen Bedarf für eine rechtliche
Verpflichtung. Auch eine Verbindlichkeit der
Schlichtungssprüche sei nicht erforderlich. Dies käme
einem vollständigen Systembruch gleich, so der ZKA. Dem
widersprach der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Da Banken
den Schlichtungsspruch oftmals ignorieren würden, müsse
eine derartige Verbindlichkeit gewährleistet sein. Die
Einleitung eines Schlichtungsverfahrens, so die
Verbraucherzentrale, müsse von der Bank ausgehen, da die
betroffene Klientel oftmals nicht "selbsthilfefähig" sei. Die
Caritas Schuldnerberatung kritisierte, dass Banken nach der
Ablehnung eines Girokontos "in der Regel" nicht über die
Beschwerdemöglichkeit informierten. Komme es dennoch zum
Beschwerdeverfahren, werde dem meist stattgegeben. Dies zeige, so
die Caritas, dass die meisten Ablehnungen ungerechtfertigt seien.
Professor Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleistungen
sieht die deutsche Bankenlandschaft in der Pflicht,
Finanzdienstleistungen für alle Bürger zu erbringen. Es
reiche nicht aus, nur Vermögen zu verwalten. Das Girokonto sei
Mittel der Teilhabe privater Haushalte an der wirtschaftlichen
Kommunikation in der Gesellschaft. Reifner forderte eine
schriftliche Begründungspflicht bei Kontoverweigerung ebenso
wie ein Verbot der Diskriminierung aufgrund von Schulden. Aus Sicht
der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG
SBV) ist die Gefahr der Kontopfändung der Grund für viele
Menschen, ohne Girokonto zu leben. Da vielen die
Pfändungsschutzmöglichkeiten nicht bekannt seien,
ließen sie sich lieber ihre staatlichen Leistungen in bar
auszahlen. Die Einführung eines Rechtsanspruches auf ein
Guthabenkonto sei daher ebenso erforderlich, wie eine Novellierung
des Kontopfändungsrechtes, so die AG SBV. Die
Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände sieht
hingegen eine gesetzliche Regelung gegenwärtig als nicht
erforderlich an. Die Sparkassen kämen ihrer
Selbstverpflichtung durchaus nach. Hingegen teile man die
Auffassung, eine Reform des Kontopfändungsrechts könne
die Bereitschaft der privaten Kreditwirtschaft zur Bereitstellung
von Girokonten für jedermann erhöhen. Rechtsanwalt Kai
Henning, Fachanwalt für Insolvenzrecht, kritisierte, dass
Banken zu häufig noch die Einrichtung eines Kontos zu
verhindern suchten. Von einem funktionierenden Recht auf Girokonten
für jedermann sei man noch weit entfernt. Daher
begrüße er die Forderung der Bundesregierung nach einer
erweiterten Selbstverpflichtung der Geldinstitute.