Experten: Mit neuen touristischen Angeboten auf den Klimawandel
reagieren
Ausschuss für Tourismus - 10.05.2007
Berlin: (hib/VOM) Der Klimawandel findet
bereits statt, und zwar unabhängig von der Klimapolitik. Die
globale Temperatur werde um mindestens zwei Grad steigen, sagte
Professor Hans von Storch, Direktor des Instituts für
Küstenforschung in Geesthacht am Mittwochnachmittag im
Tourismusausschuss. Der Ausschuss hatte Sachverständige zu
einer öffentlichen Anhörung über die Auswirkungen
des Klimawandels auf den Tourismus eingeladen. Ein einheitliches
Meinungsbild gaben die Äußerungen der Experten dabei
nicht ab. Von "mehr fliegen" bis zu "weniger fliegen" reichte das
Spektrum. Manfred Stock vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung riet dazu, den Klimawandel nüchterner und
weniger aufgeregt zu betrachten. Gerade beim Küstenschutz sei
Deutschland besser aufgestellt als andere Länder. Stock
bezweifelte, dass man mit Verboten oder Appellen viel erreichen
kann, sondern sprach sich für marktwirtschaftliche Instrumente
aus. Auch Professor Edgar Kreilkamp von der Universität
Lüneburg meinte, dass man mit Bevormundung nichts erreichen
könne. Die Reiseströme müssten über die
Angebote gesteuert werden. Deutschland brauche attraktive
Urlaubsangebote. Dazu gehöre, dass auch der Bau eines
Ferienressorts zugelassen werde. Dies sei ökologischer als
eine Pension. Für die Fahrt zum Urlaubsort zögen viele
das Auto vor, weil sie am Urlaubsort mobil sein wollten. Kreilkamp
regte daher an, die Leute mit der Bahn anreisen zu lassen und ihnen
am Zielort ein Car-Sharing-System anzubieten, um mobil zu sein.
Wolf Michael Iwand, Direktor der TUI AG für das
Konzern-Umweltmanagement, unterstrich, dass jeder zugleich Opfer
und Verursacher des Klimawandels sei. Nicht Verzicht ist für
ihn die Formel, sondern Wachstum. Wachstum sei ohne Mobilität
und Fliegen nicht darstellbar. Auch auf der Langstrecke seien
Flüge unverzichtbar. Die Devise "Sylt statt Seychellen" sei
verantwortungslos, sagte Iwand. Die Politik müsse die
Rahmenbedingungen für das Jahr 2050 setzen und Mut machen,
langfristig zu denken. Die deutsche Tourismuswirtschaft sei dabei,
sie dabei zu unterstützen. Auch Tanja Wielgoß,
Geschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen
Fluggesellschaften, nannte Mobilität einen "wesentlichen
Wert". Man müsse Mittel und Wege finden, die nicht
dirigistisch sind, um eine Emissionsminderung zu erreichen. Durch
eine effizientere Infrastruktur auf den Flughäfen könnten
bei den Treibhausgasemissionen zwölf Prozent eingespart
werden, sagte Wielgoß. Dietrich Brockhagen,
Geschäftsführer der Atmosfair gGmbH in Bonn, griff das
Stichwort vom "Ablasshandel" positiv auf. Sein Unternehmen biete
an, dass Flugpassagiere freiwillig für die von ihnen
verursachten Klimagase zahlen. Das Geld werde dann in Solar-,
Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um so
Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung
haben wie die Emission aus dem Flugzeug. Weniger als ein Prozent
der Kunden stornierten die Zahlung. Die technologische Entwicklung
allein werde das Treibhausgasproblem "für Jahrzehnte nicht
lösen", sagte Brockhagen. Stefan Ott vom Arbeitskreis
Freizeit/Sport/ Tourismus des Bundes für Umwelt und
Naturschutz sagte, Flugreisen seien so günstig, dass sie die
Leute anlockten. Wenn man die klimaschädlichen Wirkungen des
Fliegens reduzieren wolle, dann müsse es teurer werden. Als
Sofortmaßnahme empfahl er, die Flugpreise zu erhöhen.
Auf den Einwand, dass Geringverdiener dann keine Flugreisen mehr
machen könnten, sagte Ott, um dies zu ermöglichen,
könnten "andere Wege gefunden werden". Rolf Pfeifer,
Geschäftsführer des Vereins "forum anders reisen",
berichtete, der Verein habe eine Pionierrolle dabei
übernommen, wie nachhaltige Reiseangebote aussehen
könnten. Seiner Auffassung nach darf nicht außer Acht
gelassen werden, was die Touristen am Zielort tun. So wandte er
sich gegen Formen des Fernreisetourismus, bei denen die Reisenden
keine Begegnung mit der Bevölkerung und deren Kultur haben.
Pfeifer plädierte ferner dafür, Wettbewerbsverzerrungen
zwischen Bahn, Bus und Flugzeug aufzuheben und das Fliegen zu
verteuern.
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