Berlin: (hib/BOB) Die von
Wirtschaftsverbänden prophezeite Klageflut nach dem
Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist
nicht eingetroffen. Deswegen ist die Bundesregierung auch nicht der
Auffassung, dass das Gesetz "in besonderer Weise"
Möglichkeiten für dessen Missbrauch eröffnen, wie
sie in ihrer Antwort (
16/6316) auf eine Große Anfrage der
FDP-Fraktion (
16/3725) mitteilt. Die Abgeordneten hatten in
diesem Zusammenhang unter anderem auf Presseberichte verwiesen,
wonach Arbeitgeber zunehmend behinderte Menschen nicht mehr zu
Vorstellungsgesprächen einlüden, um möglichen
Haftungsansprüchen zu entgehen. Die Regierung führt dazu
aus, ob derartige Berichte tatsächlich der Praxis der
Arbeitgeber entsprechen, sei zweifelhaft. Das Interesse der
Unternehmer bestehe darin, die für den zu besetzenden
Arbeitsplatz Bestqualifizierten zu ermitteln. Dies könne
gleichermaßen ein behinderter oder nichtbehinderten Mensch
sein. Da Arbeitgeber ab einer gewissen Größe eine
Ausgleichsabgabe zu zahlen hätten, wenn sie nicht genug
Behinderte beschäftigten, sei es nicht im deren Interesse,
Behinderte nicht zu Vorstellungsgesprächen einzuladen.
Darüber hinaus seien auch Haftungsansprüche gegen
Arbeitgeber denkbar, wenn Behinderte nicht zu
Bewerbungsgesprächen eingeladen würden. Die FDP hatte des
Weiteren auf so genannte Scheinbewerber verwiesen, die sich bei
einem Arbeitgeber nur bewerben, um anschließend eine
Entschädigung wegen einer möglichen Benachteiligung
geltend machen zu können. Die Regierung weist darauf hin, ein
Scheinbewerber, der von vorneherein nur eine
Entschädigungszahlung anstrebe, sei nach der Rechtssprechung
bei einer Ablehnung nicht benachteiligt. Er werde mit einer Klage
keinen Erfolg haben. Die Liberalen hatten weiter auf Formulierungen
in Stellenanzeigen verwiesen, nach denen Bewerber "unter 30 Jahre"
jung sein sollen. Die Regierung ist hierzu der Meinung, eine
Formulierung in einer Stellenausschreibung, die nahelege, dass
Bewerber bestimmter Altersgruppen von vorneherein für eine
Einstellung nicht in Frage kämen, könne ein Indiz
dafür sein, dass eine im Einstellungsverfahren erfolgte
Ablehnung eines Bewerber gegen das AGG verstieße. Die
Regierung weist aber ausdrücklich darauf hin, ein
Schadensersatzanspruch könne dabei erst aus einer
Nichteinstellung trotz gleicher sogar besserer Qualifikation
entstehen, nicht aber aus einer unzulässigen
Stellenausschreibung als solcher.
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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