Berlin: (hib/VOM) Die Bundesregierung kommt mit ihrem Entwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (16/6518) einer Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nach, bis zum Jahresende verfassungswidrige Regelungen zu ändern. Betroffen von den Urteilen vom Juli 2005 sind die Übertragung von Versicherungsverträgen, die besondere Regelung zu Bestandsübertragungen durch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sowie die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung.
Durch das neue Recht will die Regierung sicherstellen, dass die Übertragung eines Bestandes von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen von der Versicherungsaufsicht nur dann genehmigt wird, wenn die Interessen der Versicherten gewahrt bleiben. Bei den Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit geht es auch um den Anspruch der Mitglieder auf Zahlung eines "angemessenen Entgelts". Soweit dies erforderlich ist, will die Regierung die Maßstäbe der Verfassungsrichter auch auf andere Versicherungszweige wie die Krankenversicherung übertragen. Das Gericht hatte betont, dass es für die Beurteilung der Bestandsübertragung von Versicherungsverträgen auf die Verhältnisse jedes einzelnen Versicherten ankommt. So müsse gewährleistet sein, dass kein Versicherter "schlechter dasteht als vorher". Gemildert wird diese Forderung laut Regierung dadurch, dass es auf den wirtschaftlichen Wert der individuellen Überschussbeteiligung ankommt und nicht auf die formale Rechtsposition. Durch die Neuregelung werde daher klargestellt, dass neben den Belangen der Versicherten, deren Verträge übertragen werden, auch die Belange der Versicherten des übernehmenden Unternehmens berücksichtigt werden müssen.
Nach Auffassung der Regierung muss dabei der Wert eines Vertrages vor und nach der Bestandsübertragung verglichen werden. Dieser Wert hänge von den künftig zu erwartenden Erträgen oder Ergebnissen ab. Das übernehmende Versicherungsunternehmen müsse also grundsätzlich mindestens gleich hohe Erträge oder Ergebnisse in Aussicht stellen wie bisher das übertragende Unternehmen. Dies werde in der Regel nur möglich sein, wenn die "maßgeblichen Überschussquellen" übertragen werden. Ein "Zurückbehalten von Vermögensbestandteilen" werde verhindert, heißt es. Durch eine Bilanzierung zum Zeitwert werde der wirtschaftliche Wert der Überschussbeteiligung richtig abgebildet. Dadurch könnten die Ansprüche der Versicherten vollständig erfasst werden. Bewertungsreserven könne es bei dieser Art der Vermögensbewertung nicht geben, sodass eine Benachteiligung der Versicherten durch Übertragung einer zu niedrigen Überschussbeteiligung ausgeschlossen sei. Auch Sanierungsfälle würden so richtig erfasst, weil hier der wirtschaftliche Wert der Überschussbeteiligung wegen der Probleme des übertragenden Versicherungsunternehmens niedrig sei. Unterscheidet sich der Wert der Überschussbeteiligung der übertragenen Verträge in "nennenswertem Umfang" von dem der Verträge beim aufnehmenden Unternehmen, so soll die Aufsichtsbehörde wie bisher verlangen können, dass Versicherungs- oder Kapitalanlagebestände oder beide beim aufnehmenden Unternehmen zunächst getrennt geführt werden.
Darüber hinaus geht es in dem Gesetzentwurf darum, die Entwicklung bei den Banken durch die Verschärfung der Eigenmittelanforderungen (Basel II) auch bei den Versicherungen nachzuvollziehen. Durch eine auf Prinzipien basierende Aufsicht werde den Unternehmen größere Handlungsfreiheit gegeben, weil auf gesetzliche Vorgaben verzichtet werde. Im Gegenzug erhöhten sich aber die Anforderungen an die Entscheidungsprozesse innerhalb der Unternehmen. Die Regierung begründet die jetzt vorgesehene ausdrückliche Festlegung der Anforderungen an das Risikomanagement der Versicherer auch damit, dass sich die Versicherungswirtschaft auf die kommenden Aufsichtsstandards des so genannten europäischen Solvency-2-Regimes vorbereiten kann.
Weitere Änderungen betreffen die Anpassung des Versicherungsaufsichtsgesetzes an das novellierte Versicherungsvertragsrecht. Die "Saldierung" von Verlusten mit Gewinnen bei der Ermittlung des Überschusses solle begrenzt werden. Zugleich will die Regierung die bisher "sehr komplizierte Regelung" für die Berechnung der Mindestüberschussbeteiligung der Versicherten vereinfachen. Unter anderem soll klargestellt werden, dass bei der Berechnung der Mindestüberschussbeteiligung alle Ergebnisquellen, nicht nur Kapitalerträge, berücksichtigt werden müssen. Die vom Verfassungsgericht geforderte Begrenzung von "Querverrechnungen", soweit sie sich auf die Überschussbeteiligung beziehen, will die Regierung nicht im Gesetz selbst, sondern in einer Verordnung regeln, weil die konkrete Ausgestaltung "stark von der Produktgestaltung der Versicherer" abhänge, und die könne sich rasch ändern.
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