Als die Schleswig-Holsteiner 1977 über die Einführung von Gesamtschulen diskutierten, wollte sich ein Teenager einmischen und trat mit 14 Jahren in die Junge Union ein. CDU-Mitglied wurde er mit 16. Heute, im Alter von 46, beendet Ingbert Liebing seine erste Legislaturperiode als Bundestagsabgeordneter für Dithmarschen-Nord/Nordfriesland. Über sich selbst sagt er: "Ich denke grün. Den Grünen ist es zwar zu verdanken, dass früher brachliegende Themen im Umweltschutz heute offen angesprochen werden. Doch die Herangehensweise der CDU ist eben eine andere." Viel zu lange hat es eine Auseinandersetzung zwischen Umweltschutz und den Bedürfnissen der Wirtschaft gegeben, meint Liebing und nennt ein Beispiel: "Man kann Schifffahrt im Wattenmeer nicht verbieten, weil man den Bewohnern so die Bewegungsfreiheit nimmt. Nur Fahrradfahren ist nicht die Lösung."
Erneuerbare Energien sind für Liebing ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Seine Heimat Nordfriesland sieht er als Vorreiter bei der Windenergie. Auf 100 Quadratkilometern sollen dort zusätzliche Windräder aufgestellt werden. Darunter gibt es viele Windparks, bei denen die Bürger Miteigentümer sind. "Das zeigt, wie sehr diese Energiegewinnung bei uns akzeptiert ist. Und die Erträge bleiben in der Region", erklärt Liebing erfreut. Weniger erfreut ist er, wenn es um das sogenannte CCS geht, die Speicherung von Kohlendioxid unter der Erde. Die einen sehen CCS als Ausweg aus der Klimafalle, die anderen als Schreckensvision, und auch Liebing will es in seinem Wahlkreis vermeiden. Denn wie ein großer Stromkonzern die Kohlendioxidspeicherung in Schleswig-Holstein vorantreiben wollte, passte Liebing überhaupt nicht. "Keiner verstand die technischen Ausführungen, keiner konnte uns erklären, was Sprengungen unter der Erde mit der Speicherung von Kohlendioxid zu tun haben. Da muss man sich über Widerstand nicht wundern", sagt er mit Nachdruck und ergänzt: "Dreck und Reste lassen sich bei uns nicht verpressen."
Deutliche Worte, nächstes Thema bitte: die Anerkennung des Wattenmeers als Weltnaturerbe. Über die freut sich Liebing sehr. Doch hat er lange gegen den Widerstand der Anwohner anreden müssen. Sie hatten Einschränkungen im Alltag befürchtet. Hier kam Liebing seine Erfahrung in der Kommunalpolitik zugute. Von 1996 bis 2005 war er Bürgermeister von Sylt-Ost, bei Amtsantritt der jüngste im Bundesland. Da hat er gelernt, sich zu beweisen und sich guten Argumenten nicht zu verschließen. Als Bürgermeister sah Liebing die Aufwertung des Wattenmeers zum Weltnaturerbe kritisch. "Als Abgeordneter spielt man die Vorteile in den Vordergrund", sagt er. "Das Weltnaturerbe ist eine Anerkennung, keine Einschränkung. Wir können den Schutz des Wattenmeers mit Küstenschutz und nachhaltigem Tourismus verbinden und wirtschaftlich davon profitieren. Wir leben ja nicht nur am Meer, sondern auch mit dem Meer und von dem Meer."
Sicherheit und Umweltschutz auf See, nachhaltige Fischerei, grüne Energiegewinnung, Verbesserung der Infrastruktur - da nehmen die Bürger ihrem Abgeordneten ab, dass er seine Heimat auch von Berlin aus im Blick hat. Deshalb zeigt Liebing sich auch gerne bei seinen Terminen zwischen Heide und Westerland, bei "Pizza und Politics" mit der nordfriesischen Jugend, oder beim Wahlkampf auf den Marktplätzen unterm Sonnenschirm. "Denn nur im persönlichen Gespräch kann man politische Zusammenhänge gut erklären, nicht auf Veranstaltungen", meint er.
Umwelt- und Regionalpolitik bestimmen also die Arbeit von Ingbert Liebing. Doch eines scheint nicht in seine Vita zu passen: Er ist Mitglied der Deutsch-Arabischen Parlamentariergruppe. Wie konnte es dazu kommen? Liebing lacht und erklärt: "Ich wollte eine seltene Sprache lernen und habe unter anderem Orientalistik studiert. Mein Vater hatte in der Kriegsgefangenschaft Sprachen gelernt und arabische Bücher verschlungen. Das war der Bezug für mich." So kam es, dass Liebing auf einer Delegationsreise von arabischen Teilnehmern umringt wurde, nachdem er sie in ihrer Sprache begrüßen konnte. Seine Gegenüber sprachen auf Arabisch munter weiter. In solchen Momenten wird dann selbst der redegewandteste Politiker sprachlos.