RAUCHVERBOT
Die Länder sind sich uneins beim Schutz vor Nikotin. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon den Weg gewiesen
Mit der Föderalismusreform I ging am 1. September 2006 das Gaststättenrecht vom Bund auf die Länder über. Daher gibt es in Deutschland bis heute kein einheitliches Rauchverbot. Das Bemühen, verfassungsgemäße Regelungen zu schaffen, zeigt beispielhaft die Besonderheiten des föderalen Staates auf.
Im Frühjahr 2003 kam die politische Auseinandersetzung mit den Argumenten der Befürworter und Gegner von Rauchverboten in Schwung. Im April des Jahres hatte New York ein generelles Rauchverbot verhängt, das auch in Bars und Restaurants galt. In der damaligen Drogenbeauftragten der Bundesregierung Marion Caspers-Merk (SPD) fanden die Nichtraucher bald eine starke Mitstreiterin. Bereits im August 2003 kündigte sie an, sie wolle erste Schritte einleiten, um den Schutz von Nichtrauchern zu verbessern. "Das Nichtrauchen muss in der Öffentlichkeit der Normalfall werden", sagte sie. Nicht nur Krankenhäuser, Schulen oder Behörden sollten "komplett rauchfrei" sein. Auch die Gastronomie müsse ihre Nichtraucherangebote deutlich ausweiten. "Es muss Standard werden, dass es in den Gaststätten Nichtraucherzonen gibt", sagte die SPD-Politikerin.
Bis dahin war der Weg jedoch noch weit. Und es war nicht der Bund, es waren die Länder, die voranschritten. Als erstes Bundesland verfügte Berlin zu Beginn des Schuljahres 2004/2005 ein generelles Rauchverbot an allen Schulen für Lehrer und Schüler. Hessen zog am 1. Januar 2005 nach; Bayern, Niedersachsen und Bremen folgten dem Beispiel Hessens zum Schuljahr 2005/2006. Alle anderen Länder waren später dran.
Am 23. Februar 2007 einigten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern auf ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen und allen gastronomischen Einrichtungen. Allerdings drängten Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf eine, wie sich später herausstellen sollte, folgenschwere Protokollnotiz. Darin wurden Ausnahmeregelungen in der Gastronomie erlaubt.
Zu dieser Zeit stand die Politik bereits unter einem hohen öffentlichen Erwartungsdruck. Das Meinungsforschungsinstituts polis/Usuma ermittelte im Jahr 2006, dass 76 Prozent der Deutschen ein solches Rauchverbot wünschten. Außerdem gab es im zentral regierten europäischen Ausland bereits zahlreiche Vorbilder. Im März 2004 hatte Irland erfolgreich ein generelles Rauchverbot verhängt, das Pubs und Restaurants einschloss. Das Raucherland Italien schaffte am 10. Januar 2005 eine vergleichbare Regelung. Und Schottland schloss sich im März 2006 dem irischen Vorbild an.
Vor diesem Hintergrund entwickelten die Bundesländer ihre Gesetzespläne. Die stellten sich März 2007 allerdings alles andere als einheitlich dar: Bayern und Baden-Württemberg wollten das Rauchen aus "Sorge um die Volkskultur" weiterhin in Festzelten erlauben. Das Saarland erwog Ausnahmen vom Rauchverbot für "Inhaberkneipen". In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sollten Wirte ihr Lokal zur "Raucherkneipe" deklarieren können. Hessen plante Ausnahmen für Wasserpfeifen. Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wollten Rauchen in Gaststätten nur in eigens dafür ausgewiesenen Nebenräumen erlauben. Und Berlin plante ein umfassendes, generelles Rauchverbot.
Als am 1. August 2007 die ersten Rauchverbote in Baden-Württemberg und Niedersachsen in Kraft traten, konnten Gastwirte in Niedersachsen Raucherzelte draußen neben der Gaststätte beantragen, wenn es im Gebäude selbst keinen separaten Nebenraum gab. Für ein separat betriebenes Festzelt hingegen, das etwa 200 Meter von der Gaststätte entfernt aufgestellt wurde, galt dann wiederum das Rauchverbot.
Während die Länder weitgehend bei ihren ersten Gesetzentwürfen geblieben sind, ging es in Bayern hin und her. Zum 1. Januar 2008 trat dort das schärfste aller Rauchverbot Deutschlands in Kraft. Es duldete keinerlei Ausnahmen. Sogar die Sorge um die "Volkskultur" wurde zurückgestellt und das Rauchen auch in Festzelten verboten.
Nach dem ernüchternden CSU-Ergebnis bei der Landtagswahl 2008 kam die Kehrtwende. Weil sie im Rauchverbot einen der Gründe für den Wahlausgang sah, machte die Partei nun aus dem ehedem strengsten eines der lockersten Gesetze. Seither ist das Rauchen in Festzelten und beschilderten Nebenräumen von Wirtshäusern erlaubt. Gaststätten mit einer Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern dürfen als Raucher-Gaststätte geführt werden, wenn der Verkauf von Speisen dort eine "nachgeordnete" Rolle spielt. Doch schon bald könnte Bayern zu der ersten Gesetzesvariante zurückkehren. Denn die kleine Ökologisch-Demokratische Partei (ÖPD) initiierte erfolgreich ein Volksbegehren gegen die Lockerung des Nichtrauchschutzes.
Zwei erfolgreiche Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht bereiteten anderen Ländern Schwierigkeiten. Die Kläger, zwei Wirte aus Baden-Württemberg und Berlin, erstritten das Recht, dass in Einraumkneipen geraucht werden darf, deren Gastfläche kleiner als 75 Quadratmeter ist, die keine Speisen anbieten und Gästen unter 18 Jahren den Zutritt verwehren. Den Richtern ging es jedoch mehr um Wettbewerbsnachteile der kleinen Kneipe gegenüber der großen Gaststätte. Karlsruhe ließ indes keinen Zweifel daran, dass es ein ausnahmsloses Rauchverbot durchgehen lassen würde - man muss es nur machen.
Der Autor leitet das Politikressort von "welt-online".