Die Plenarsitzung am Donnerstag
Der Bundestag hat am Donnerstag, dem 18. Dezember 2008, über eine Regierungserklärung von Außenminister Steinmeier zum Europäischen Rat der vergangenen Woche beraten. Fünf Gruppeninitiativen von Abgeordneten standen im Anschluss zum Thema der Spätabtreibungen zur Diskussion. Gegenstand weiterer Debatten waren der Klimaschutz, die Stadtentwicklung und der Gesundheitsfonds.
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Frank-Walter Steinmeier (SPD) lobte das europäische
Konjunkturprogramm, welches starke Signale setze und viele
Vorschläge Deutschlands aufgreife. Beim Klimapaket habe man
sich auf verbindliche Ziele geeinigt, etwa den Ausbau erneuerbarer
Energien. Zudem solle kein Energieerzeuger Emissionsrechte
geschenkt bekommen. Der Außenminister betonte zudem, dass
Europas Handlungsfähigkeit gesichert und der Vertrag von
Lissabon ratifiziert werden müsse.
FDP will schnelle Steuerentlastungen
Für eine klare Regierungsstruktur der EU sprach sich Michael Stübgen (CDU/CSU) aus. Die Zuständigkeiten müssten gestrafft werden. Schnelle und breit angelegte Steuerentlastungen für kleine und mittlere Unternehmen forderte hingegen Werner Hoyer (FDP). Nun räche sich, dass „die Regierung in fetten Jahren nichts auf die Kante gelegt hat“. Er warf ihr wahltaktisches Handeln vor.
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, dies
sei kein Klimapaket, sondern ein Kniefall vor der alten Lobby.
„Die deutsche Automobilindustrie muss bis 2012 überhaupt
nichts tun.“ Oskar Lafontaine (Die Linke) kritisierte die
Uneinigkeit des Kabinetts. Jeder Minister mache andere
Vorschläge. Stattdessen müssten Strukturdefizite
beseitigt werden, vor allem auf den Sektoren Bildung,
Infrastruktur, Löhne und Staatsausgaben.
Abgelehnt wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke „Das
Ratifizierungsverfahren zum Vertrag von Lissabon aussetzen - Ein
Sozialprotokoll vereinbaren“ (
16/8879,
16/10832).
Initiativen zum Thema Spätabtreibung
Über mehrere Vorlagen zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes debattierten die Abgeordneten anschließend in erster Beratung. Es handelt sich dabei nicht um Initiativen der Fraktionen, sondern einzelner Abgeordneter unterschiedlicher Fraktionen, die die jeweilige Initiative unterstützen.
Im Einzelnen liegen vor: ein Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker
Kauder, Renate Schmidt, Johannes Singhammer und weiterer
Abgeordneter (
16/11106), ein Antrag der Abgeordneten Christel
Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner und weiterer
Abgeordneter (
16/11342), ein Gesetzentwurf der Abgeordneten
Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea Nahles und
weiterer Abgeordneter (
16/11347), ein Gesetzentwurf der Abgeordneten
Ina Lenke, Sybille Laurischk, Ulrike Flach und weiterer
Abgeordneter (
16/11330) und um einen Antrag der Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke und weiterer
Abgeordneter (
16/11377).
Der Bundestag stimmte auch den Einigungsvorschlägen des
Vermittlungsausschusses zum Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz
(16/11390), zum BKA-Gesetz (16/11391) und zum
Familienleistungsgesetz (16/11392) zu, die der Bundesrat in der vom
Bundestag zunächst beschlossenen Fassung abgelehnt hatte.
In der Klimaschutzdebatte forderten Bündnis 90/Die Grünen den Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen ( 16/11206). Auch wollen sie neue Kohlekraftwerke sowie den Missbrauch von so genannten Clean-Development-Mechanism-Projekten (CDM) des Kyoto-Protokolls verhindern (16/10617, 16/10820). Die CDM ermöglichen es, die Treibhausgas-Emissionen möglichst kostengünstig zu reduzieren.
Die Linksfraktion nimmt Bezug auf die zu Ende gegangenen
Klimaverhandlungen im polnischen Posen und plädiert
dafür, den Weg für ein Kyoto-II-Abkommen frei zu machen
(16/11246).
Kontroverse um die Brüsseler Beschlüsse
Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Klimabeschlüsse auf dem Brüsseler EU-Gipfel aufs Schärfste. Sie warf warf der Bundesregierung eine rückständige Klimapolitik vor. Michael Kauch (FDP) wiederum griff die Grünen wegen ihres „hysterischen Reflexes“ beim Thema Umweltpolitik an. Dies sei keine verantwortungsvolle Oppositionsarbeit, sondern reiner Wahlkampf.
Andreas Jung (CDU/CSU) betonte, man werde sowohl den Klimaschutz
als auch die Beschäftigungssicherung unter einen Hut bekommen.
Eva Bulling-Schröter (Die Linke) führte an, dass die
überwiegende Mehrzahl der Betriebe durch die von der ihrer
Fraktion empfohlenen Klimaschutzmaßnahmen nicht in ihrer
internationalen Wettbewerbsfähigkeit bedroht würden.
Gabriel für EU-Emissionshandel
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich unter anderem für einen europäischen Emissionshandel aus. Dieser sorge für Energieeffizienz im eigenen Land sowie für Investitionen und Technologietransfer in Entwicklungsländern.
Anschließend lehnte der Bundestag
verschiedene Oppositionsanträge zum Thema ab. Bündnis
90/Die Grünen forderten Maßnahmen zum Schutz von Tropen-
und Urwäldern (
16/9065,
16/11024,
16/7710,
16/8877). Die FDP-Fraktion wollte Barrieren
für die Einführung der CCS-Technologie
(Carbon dioxide capture and
storage) überwinden und die Potenziale der Abtrennung
und Ablagerung von Kohlendioxid für den Klimaschutz nutzen (
16/9454,
16/5131,
16/10394). Die CCS-Technologie zielt darauf ab,
Kohlendioxid abzuscheiden und anschließend unterirdisch zu
lagern.
Danach erörterten die Abgeordneten die Initiative der Bundesregierung zur nationalen Stadtentwicklungspolitik ( 16/9234). Damit will die Regierung das Modell der europäischen Stadt als "Grundlage der ökonomischen Entwicklung, als ökologisch sinnvolle Siedlungsform und als Mechanismus für soziale und ethnische Integration" weiterentwickeln.
Achim Großmann (SPD) plädierte für eine engere
Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Dabei seien
die Bürger entscheidende Akteure. Das zeige etwa das Programm
„Soziale Stadt“ in Berlin-Neukölln. Dort leisteten
die „Stadtteilmütter“ einen wesentlichen Beitrag
zur Integration, denn sie bauten Kontakte zu Familien mit
Migrationshintergrund auf.
Fundament des Staates
„Städte und Gemeinden sind das Fundament unseres Staates“, so Peter Götz von der Unionsfraktion. Die Eigengestaltung der Städte sollte gewahrt werden, dafür bedürfe es keiner europäischen Verordnungen.
Der Liberale Patrick Döring warf dem Bundesverkehrsminister
ein zu geringes Engagement in der Stadtentwicklungspolitik vor.
Tiefensee unterstütze die „vernachlässigten
Städte“ des Westens nicht, wie zum Beispiel
Gelsenkirchen oder Bremerhaven.
Heidrun Bluhm (Die Linke) stellte das Projekt „Linke Stadt
der Zukunft“ vor. Niemand dürfe durch seinen Wohnort in
seinen Chancen benachteiligt sein. Peter Hettlich (Bündnis
90/Die Grünen) sprach für eine stärkere
Unterstützung der Kommunen aus.
Gegenstand der folgenden Debatte war die Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage von CDU/CSU und SPD zur Effizienz von Fördermaßnahmen für den innovativen Mittelstand ( 16/8950, 16/10209).
Der Mittelstand hat laut Unionspolitiker Heinz Riesenhuber seine
Forschungsanstregungen in den letzten Jahren erweitert. Davon
hänge die Dynamik der gesamten Industrie ab. Ute Berg (SPD)
wies darauf hin, dass jedes vierte mittelständische
Unternehmen Auftragsrückgänge verzeichne. Als
„Motor unserer Wirtschaft“ brauchten sie eine
verlässliche staatliche Unterstützung.
Die Regierung habe keine Rahmenbedingungen für den Mittelstand
geschaffen, bemängelte Ulrike Flach (FDP). Die Koalition liste
nur auf, was schon bekannt war, so Ulla Lötzer (Die Linke).
Sie forderte die Verankerung der Innovation im Vergaberecht.
Abgelehnt hat der Bundestag Oppositionsanträge zur Abschaffung des Gesundheitsfonds. Unionspolitiker Max Straubinger bezeichnete die Debatte als "rückwärtsgewandt". Die Liberalen wollten den Fonds und die staatliche Beitragssatzfestsetzung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht einführen ( 16/7737, 16/9805, 16/11089).
Bündnis 90/Die Grünen plädierten für einen
"morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich" (
16/8882,
16/11090). Die Linke machte sich für einen
paritätisch finanzierten Gesundheitsfonds stark (
16/10318,
16/11091).
Der Fonds der Regierung werde "unsozial und undemokratisch"
finanziert, so Frank Spieth (Die Linke). Heinz Lanfermann (FDP)
sagte, die "Waffe Gesundheitsfonds" richte sich auch gegen
Unternehmen und Steuerzahler. Das "Bürokratiemonster"
widerspreche allen Zahlen, Fakten und dem Willen der Mehrheit der
Bevölkerung. Laut Birgitt Bender (Bündnis 90/Die
Grünen) wird ein Zustand "völliger Unsicherheit"
geschaffen. Die Krankenkassen könnten nicht mehr selbst auf
sinkende Einnahmen reagieren.
Abstimmung Rüstungsexportpolitik
In der anschließenden Debatte über Rüstungsexporte wurde ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/11406) in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Die Fraktion hatte verlangt, dass auf einen Export von U-Booten nach Pakistan verzichtet wird. Winfried Nachtwei von Bündnis 90/Die Grünen betonte: In der anhaltenden politischen und ökonomischen Krise brauche Pakistan brauche am allerwenigsten U-Boote.
Ergebnis der namentlichen Abstimmung
Am Abend beschloss der Bundestag das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ( 16/10807, 16/10868). Damit will die Bundesregierung die finanzielle Situation der Krankenhäuser von 2009 an verbessern. Für Kliniken soll es ab Januar 2012 leistungsorientierte Investitionspauschalen geben.
Am Donnerstag entschied der Bundestag unter anderem über einen
Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Personalausweisen.
Außerdem stimmte er einem Koalitionsentwurf für ein
Telekommunikations-Entschädigungs-Neuordnungsgesetz zu.