105.386 Personen haben bis zum 22. Juni eine beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition zur Hebammenhilfe im Internetportal E-Petition mitgezeichnet. Zudem sind über 60.000 Faxe beim Petitionsausschuss eingegangen, die die Petition ebenfalls unterstützen. Aus diesem Grund lädt der Petitionsausschuss unter Vorsitz von Kersten Steinke (Die Linke) am Montag, 28. Juni 2010, zu einer öffentlichen Sitzung, um über diese Petition zu beraten. Sie beginnt um 13 Uhr im Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes in Berlin.
Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen und im WebTV auf www.bundestag.de übertragen und anschließend als Video-on-Demand bereitgestellt.
In der Petition wird der Bundestag gebeten, Sofortmaßnahmen zu beschließen, um eine wohnortnahe Versorgung von Frauen mit Hebammenhilfe und die freie Wahl des Geburtsortes auch nach dem 1. Juli 2010 sicherzustellen. Gefordert wird auch die Aufnahme eines "Sicherstellungsauftrages" für Hebammenhilfe (Paragraf 72 des Fünften Sozialgesetzbuches). Ebenso solle der Bundestag eine Datenerhebung zum Bedarf an Hebammenhilfe und dessen Deckung beschließen.
Die Petentin stellt fest, dass steigende Haftpflichtprämien und eine unzureichende Vergütung die Hebammen zum Aufgeben der Geburtshilfe zwängen. Dadurch könne die flächendeckende Versorgung nicht mehr sichergestellt werden.
Nach der Einführung unter anderem des Paragrafen 116 des Zehnten Sozialgesetzbuches seien die Krankenkassen dazu übergegangen, Regressabteilungen zu beschäftigen. Sie sollen bei teuren Behandlungsfällen gezielt dafür sorgen, die zu erwartenden Kosten der Sozialversicherungsträger gegenzufinanzieren.
1992 seien freiberufliche Hebammen zu einer Jahresprämie von umgerecht 179 Euro einschließlich Geburtshilfe versichert gewesen. Durch Verzehnfachung der Prämie (2.370 Euro) bis 2009 sei der Anteil der Hebammen, die neben Schwangerenvorsorge und der Betreuung im Wochenbett auch Geburtshilfe anbieten, auf 23 Prozent gesunken.
"Mit der Steigerung der Haftpflichtprämie für das Berufsrisiko Geburtshilfe auf 3.689 Euro ab 1. Juli 2010 ist absehbar, dass sich die verbleibenden Hebammen aus dem Kernbereich ihres Berufes zurückziehen", heißt es in der Petition.
Das Problem betreffe freiberufliche und angestellte Hebammen. Auch Angestellte müssten aus ihrem Gehalt eine eigene Haftpflichtversicherung abschließen, weil Klinikträger zu niedrige Deckungssummen versicherten. Durch Personalabbau steige das Haftungsrisiko, weil Hebammen mehrere Geburten gleichzeitig betreuen müssten.
2006 seien die Hebammen in die "eigenverantwortliche Vergütungsverhandlung mit den Krankenkassen" entlassen worden - mit einem "Rückstand in der Anpassung der Honorare", so die Petentin. Die Vorgabe aus dem Beitragsstabilitätsgesetz (Paragraf 71 des Fünften Sozialgesetzbuches) vergrößere diesen Rückstand.
Die Ausnaheregelungen nach dieser Vorschrift würden nicht greifen, da keine Daten vorlägen und es keinen Sicherstellungsauftrag gebe, um das Recht auf Hebammenhilfe nach Paragraf 196 der Reichsversicherungsordnung durchzusetzen. Im Schnitt erziele eine freiberufliche Hebamme 23.300 Euro Umsatz im Jahr. Das real zu versteuernde Einkommen liege im Schnitt bei 14.150 Euro jährlich oder 7,50 Euro netto pro Stunde.
Für ihre Geburtshilfe erhalte eine Hebamme ein Bruttohonorar von 224,40 Euro für die Beleggeburt, 367,20 Euro für die Geburt im Geburtshaus und 448,80 Euro für die Hausgeburt.
Als Ausgleich für die gestiegenen Haftpflichtprämien hätten die Kassen 4,39 Euro für Beleggeburten und 14,19 Euro für außerklinische Geburten geboten. Die Gesamtsumme der Gebühren für Geburtshilfe werde ab dem 1. Juli dieses Jahres ausschließlich die Haftpflichtprämien decken - ohne dass ein Verdienst für die Hebamme übrig bleibe, heißt es in der Petition.
Und weiter: "Die Zentralisierung der Geburtshilfe in perinatologischen Zentren benötigt ein Gegengewicht von wohnortnaher Versorgung für gesunde Schwangere und eine intensive Weiterbetreuung nach der heute üblichen Frühentlassung". Doch seien immer mehr kleinere Krankenhäuser gezwungen, ihre Geburtshilfe-Abteilungen zu schließen weil weder Beleghebammen noch -ärzte ihre Prämien zahlen könnten: "Die Politik wird deshalb aufgefordert, Abhilfe zu schaffen."
In der Sitzung hat die Petentin die Möglichkeit, ihr Anliegen darzustellen und Nachfragen des Ausschusses zu beantworten. Die Abgeordneten können auch die Bundesregierung zu dem Anliegen befragen. An der Sitzung nehmen auch Mitglieder des Gesundheitsausschusses teil.
Zeit: Montag, 28. Juni 2010, 13.00 Uhr
Ort: Berlin, Reichstagsgebäude,
Großer Protokollsaal 2 M 001
Interessierte Besucher können sich unter Angabe von Namen, Vornamen und Geburtsdatum beim Sekretariat des Ausschusses (Telefon: 030/227-37101, Fax: 030/227-36053, E-Mail: vorzimmer.peta@bundestag.de) anmelden. Zur Sitzung muss der Personalausweis mitgebracht werden. Einlass ist am Eingang Süd des Reichstagsgebäudes direkt am Tiergarten.
Bild- undTonberichterstatter können sich im Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.