Die Flut kommt jeden Tag aufs Neue. Sie ist vorwiegend weiß, manchmal auch gelb oder hellbau, vor allem aber ist sie hausgemacht. Rund 165.000 Blatt bedrucktes Papier ergießt sich im Durchschnitt täglich aus den Druckereien in die Büros der Abgeordneten, in die Abteilungen und Fachbereiche, in die Referate und Sekretariate. So groß ist der Bedarf von Bundestag und Bundesrat zusammen. Anträge und Anfragen sind darunter, Protokolle und Tagesordnungen, Hausmitteilungen und Wochenpläne - machten sich die Abgeordneten die Mühe und legten sie alle Kante an Kante, sie könnten darauf vom Reichstag bis nach Potsdam und zurück spazieren.
Helgard Lorenz kennt diese Dimensionen nur zugut. Von ihrem Büro aus, das dem Reichstagsgebäude schräg gegenüber liegt, hat sie nicht nur die wuchtigen Mauern des Parlaments im Blick, sondern auch den papierenen Informationsfluss, der sich dahinter durch die Gänge wälzt. Dass er reibungslos funktioniert, dafür sorgt die studierte Druck-Ingenieurin mit ihren zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie leitet den Bereich Drucksachen, einen Teil des Verwaltungsrefertats Zentrale Beschaffung des Bundestags. Hier von ihrem Schreibtisch aus plant und steuert Lorenz die notwendige Technik, um das riesige Print-Volumen bewältigen zu können und seine pünktliche Auslieferung auch unter hohem Zeitdruck sicherzustellen. Denn gerade in Sitzungswochen, wenn die Ausschüsse tagen, müssen Drucksachen innerhalb kürzester Zeit bereitstehen. Aber auch um die ständige Überprüfung und Optimierung dieser Prozesse kümmert sich die Sachbereichsleiterin. Konkret heißt das: den Weg zwischen Druckerei und Empfänger verkürzen, die Zeit zwischen Produktion und Aushändigung verringern.
"Drucken und Verteilen sollten zusammengelegt werden", sagt Lorenz. "Der Botendienst könnte so effizienter werden". "Printing on demand" (Drucken auf Anforderung) heißt das Verfahren, das dabei helfen soll. Es sieht vor, dass ein Teil der Drucksachen nicht mehr von einer zentralen Druckerei produziert und verteilt wird. Stattdessen sollen die Dokumente da gedruckt werden, wo man sie sofort benötigt: bei den Abgeordneten. Das funktoniert mit Hilfe so genannter Etagendrucker, die auf den Fluren des Bundestags stehen und an ein internes Netz angeschlossen sind.
Ihr Vorteil gegenüber den Zimmer-Druckern in den Abgeordnetenbüros: sie sind um ein Vielfaches sparsamer. Das ist wichtig in Zeiten, da der Toner eines Druckers fast schon teurer ist als der Drucker selbst. "An den Etagendruckern könnte sich jeder bei Bedarf das gewünschte Dokument ausdrucken", erklärt Lorenz. "Mit einer PIN kann man dann auf ein privates virtuelles Fach zugreifen." Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Papier, denn nicht jeder Abgeordnete braucht täglich alle Drucksachen, die hergestellt werden. Aber die Pläne der "Schleusenwärterin" für digitalen Print gehen noch weiter. Gerade in Zeiten sich stetig verknappender Ressourcen ist Nachhaltigkeit gefragt. "Unser Ziel ist es", so Lorenz, "irgendwann einmal so viel wie möglich nur noch elektronisch laufen zu lassen."
Das "papierlose Büro" jedoch wird in absehbarer Zeit nicht zu verwirklichen sein. Dafür müsste zunächst die Geschäftsordnung des Bundestags geändert werden. Denn diese schreibt vor, dass den Abgeordneten Vorlagen wie Anträge und Gesetzentwurfe gedruckt, also in Papierform, zugehen müssen. Diese Regelung aus dem prä-digitalen Zeitalter hat auch heute noch solange ihre Berechtigung, wie Verfälschungen oder Veränderungen von Vorlagen nicht sicher verhindert werden können. Ein Trend jedoch zeichnet sich bereits ab: die Auflagenhöhe vieler Drucksachen geht zurück. Dort wo es möglich ist, verzichtet man auf die Papierform. So werden weniger brisante Drucksachen schon im Intranet veröffentlicht - wie die Hausmitteilungen. Knapp zwei Millionen wurden davon im Jahr 2002 produziert. 2006 waren es nur noch 900 000. Ein lobenswerter Anfang ist das allemal.