Minderheitenförderung
Den sorbischen Institutionen fehlt das Geld - und eine Perspektive
Unser Land ist wirklich klein, mein Freund, klein auch unser Volk, das sorbische, wie ein winzig Inselchen, vom Meer umspült. Und doch, ich glaub es fest, niemals werden seine Wogen überfluten unsern Erdstrich, Dörfer nicht und Höfe." So optimistisch verfasste der sorbische Nationaldichter Jakub Bart-Cisinski 1891 sein "sorbisches Bekenntnis". Auch mehr als einhundert Jahre später sind die Sorben nicht in ihrer Existenz gefährdet - aber einigen sorbischen Institutionen steht heute in finanzieller Hinsicht das Wasser bis zum Hals und es ist nicht klar, wie es mit ihnen im kommenden Jahr weiter- gehen wird.
Schuld daran sind ein ausstehendes Finanzierungsabkommen und ein sich seit Monaten hinziehender Streit zwischen dem Bund, den Ländern Brandenburg und Sachsen und der Stiftung für das sorbische Volk.
60.000 Sorben leben in Deutschland, 40.000 auf dem Gebiet der sächsischen Oberlausitz und 20.000 in der brandenburgischen Niederlausitz. Damit sind sie die größte Gruppe der nationalen Minderheiten in Deutschland. Mit einer Sonderstellung: Wie die etwa 12.000 Friesen in Deutschland, aber anders als die rund 50.000 Dänen haben die Nachkommen des slawischen Stammes, der zu Beginn des 7. Jahrhunderts zwischen Saale und Queis siedelte, keinen Mutterstaat jenseits der deutschen Grenzen. Rein rechtlich sind die Sorben deutsche Staatsbürger - ihre sorbische Nationalität wird nicht im Pass vermerkt. Ohnehin ist nicht festgelegt, wer warum Sorbe ist. Es reicht das Bekenntnis zum Volk der Sorben. Im Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde der Schutz der sorbischen Minderheit festgeschrieben, bereits in der DDR-Verfassung wurden die Sorben 1969 als nationale Minderheit anerkannt.
Die Aufgabe, die sorbische Sprache und Kultur "als Ausdruck der Identität des sorbischen Volkes" zu schützen und zu pflegen, erfüllt die 1991 gegründete Stiftung für das sorbische Volk. Dies ist im Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem Freistaat Sachsen aus dem Jahr 1998 geregelt und bedeutet konkret: Die Stiftung verteilt die Fördermittel des Bundes und der Länder Sachsen und Brandenburg an Einrichtungen der Kultur-, Kunst- und Heimatpflege. Dazu gehören etwa das sorbische National-Ensemble, der Dachverband sorbischer Vereine und Verbände Domowina, der Domowina-Verlag, das sorbische Museum in Bautzen und der sorbische Schulverein. Doch um genau diese Fördergelder - oder vielmehr die Frage, wer sie künftig bereitstellen muss - gibt es seit Monaten Streit.
Obwohl im Haushalt von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) mit 7,6 Millionen Euro für die Sorben 600.000 Euro mehr veranschlagt sind als noch im Regierungsentwurf, können sie derzeit nicht planen: Weil das im Staatsvertrag von 1998 verabredete Finanzierungsabkommen Ende 2007 ausläuft und es bislang kein neues gibt, hat der Bundestag rund 2,6 Millionen Euro aus dem Etat eingefroren. Diesem Beispiel folgte auch das Land Brandenburg, das für etwa 17 Prozent der Finanzen der Sorben aufkommt. 600.000 der insgesamt 2,6 Millionen Euro sind mit einer Haushaltssperre belegt. Nur Sachsen fördert die Sorben mit 5,45 Millionen Euro genauso wie in den vergangenen Jahren.
Die Ankündigung des Bundes und Brandenburgs, die Gelder freizugeben, sobald es ein neues Finanzierungsabkommen gibt, sorgt in der Lausitz nicht für allzu viel Beruhigung. Die sorbische CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Michalk weiß, warum: "Das eigentliche Problem ist ganz offensichtlich: Der Bund will nicht bei der 50-Prozent-Förderung der Stiftung für das sorbische Volk bleiben. Das war schon im ers-ten Finanzierungsabkommen der Fall, in das eine degressive, also rückläufige Förderung hineingeschrieben wurde." Tatsächlich betont Michalks Fraktionskollege, Haushaltsexperte Steffen Kampeter, in diversen Interviews, der Bund habe in den vergangenen Jahren "erheblich" mehr gezahlt als ursprünglich vereinbart und man müsse in den Verhandlungen mit den beiden Ländern das Problem lösen.
Hinter der Diskussion, wie viel Geld die Bundesländer an die Stiftung geben müssen, steckt auch die Frage, auf welcher Grundlage die Förderung überhaupt erfolgt: Ist sie Kultur- oder Minderheitenförderung? CDU-Haushälter Kampeter will die Frage juristisch klären lassen, ob die Sorben über die Kulturförderung oder die Minderheitenpolitik des Innenministeriums finanziert werden müssen. Für den Intendanten des Sorbischen National-Ensembles, Wolfgang Rögner, sind diese Überlegungen besorgniserregend: "Kultur ist Ländersache - und daraus könnte der Bund sich mittel- und langfristig herausziehen. Die Länder sagen natürlich, Minderheitenpolitik sei eine Bundesangelegenheit und muss deshalb auch vom Bund finanziert werden. Das ist ein politisches Tauziehen - und wir Sorben sind das Tau."
Für besondere Empörung sorgte im März 2007 die Feststellung des Bundesrechnungshofs, der Einigungsvertrag als Rechtsgrundlage für die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur sei "verbraucht". Unabhängig von dieser umstrittenen Interpretation sind die Sorben aber auch heute noch auf anderer Ebene geschützt. Zum einen gibt es entsprechende Bestimmungen in den Landesverfassungen von Sachsen und Brandenburg, zum anderen garantieren das Rahmenabkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, das in Deutschland seit 1999 in Kraft ist, und die europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen ihnen den nötigen Schutz.
Dafür, dass dennoch immer wieder diskutiert wird, wer den Sorben Geld geben muss, findet der Chefredakteur der sorbischen Tageszeitung "Serbske Nowiny", Benedikt Dyrlich, deutliche Worte. Er beobachte ein "erbärmliches Zusammenspiel der Politik", das "auf dem Rücken der Sorben ausgetragen" werde. Man habe lange versucht, "Schuldgefühle" bei den Sorben zu wecken, weil sie Gelder in Anspruch nähmen, aber vermeintlich nicht bereit seien, bei ihren Einrichtungen die nötigen Einsparungen vorzunehmen. Dyrlich bezieht sich damit auf die alljährliche Kritik des Bundesrechnungshofs an der Stiftung für das sorbische Volk. Dessen März-Bericht hatte auch die Mittelverteilung der Stiftung gerügt und mehrere Bereiche angeführt, in denen er Einsparpotenzial sieht. Für Maria Michalk ist die Verknüpfung der Rechnungshof-Kritik mit der allgemeinen Diskussion um die Fortsetzung der Sorben-Förderung unglücklich. "Zum einen muss man klar sagen, dass die Stiftung wohl die meist geprüfte Einrichtung in der Bundesrepublik ist - bei ihr wird jedes Jahr kontrolliert. Und jedes Jahr kann ein Teil der gerügten Mängel argumentativ widerlegt und ein anderer Teil umgesetzt werden. Es wird auf das reagiert, was der Rechnungshof anregt. Ich sehe hier kein schuldhaftes Verhalten der Stiftung." Von sechs Punkten, die der Rechnungshof in seinem Gutachten gerügt habe, seien allenfalls zwei Dinge, mit denen sich die Stiftung selbst beschäftigen müsse. Alles andere sei Sache der entsprechenden Ressorts in Bundesregierung und Ländern.
Nach Ansicht Michalks müssen sich Bund und Länder noch im Januar oder Februar 2008 auf das weitere Vorgehen einigen. Dass der Haushaltsausschuss des Bundestags das Thema erst in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause behandeln wird, hält sie für deutlich zu spät. Denn noch immer hat die Stiftung keinen Haushaltsplan für 2008. "Wenn sich am derzeitigen Zustand nichts ändert, gehen alle Veranstaltungen, die die Stiftung fördert, im September 2008 in die Insolvenz", erklärt Knut Nevermann (SPD), zuständiger Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. "Die Stiftung müsste dann im Grunde sofort jede Förderung sperren, da sie anderenfalls droht, in Konkurs zu gehen." Deshalb spiele man derzeit bei den Planungen für 2008 ein riskantes Spiel: "Wir tun so, als gäbe es die Sperre nicht."
Auch dann, wenn Bundestag und die Länder alle vorgesehenen Mittel freigeben würden, wären die Probleme noch nicht gelöst. Statt der bereitgestellten 15,7 Millionen braucht die Stiftung nach eigenen Planungen im nächsten Jahr rund 16,4 Millionen, um alle Ausgaben decken zu können. Ein entsprechender Haushaltsplan von Stiftungsdirektor Marko Suchy war von den Vertretern der Politik, die im Stiftungsrat über eine Mehrheit verfügen, abgelehnt worden. Suchy soll nun einen neuen Plan auf Basis der zugesagten 15,7 Millionen Euro erstellen. Über die Zukunft der Stiftung und der von ihr geförderten Einrichtungen und Projekte äußerte er sich deshalb wenig zuversichtlich. "Ich gehe zwar davon aus, dass wir schnell ein Finanzierungskonzept haben und damit auch die Haushaltssperren aufgehoben werden, bin aber hochgradig pessimistisch, dass wir das richtige Konzept bekommen werden." Man arbeite schon im dritten Jahr mit dem haushälterischen Instrument der globalen Minderausgaben und sichere damit "den Status quo auf niedrigstem Niveau. Wir haben seit Jahren keine Inves-titionen mehr getätigt. Kreatives Neues kann so nicht entstehen." Mit den derzeit vereinbarten Mitteln seien die Institutionen und Projekte der Sorben nicht zu finanzieren. "Im Grunde muss jeder Direktor einer sorbischen Einrichtung überlegen, wie er mit den wenigen Mitteln klar kommt. Der eine kann auch mit unbesetzten Stellen weiterarbeiten, der andere muss dann eben die Heizung oder das Licht ausmachen." Sollte es dazu kommen, dass es kein Abkommen gibt und die Sperren nicht aufgehoben werden, will Suchy nicht weitermachen: "Dann werfe ich das Handtuch."
Ähnlich unglücklich sind auch andere Beteiligte des Streits. Das Sorbische National-Ensemble etwa gehört zu den Institutionen mit unklarer Zukunft. Auf einer Sitzung des Stiftungsrates Ende November hatten die Vertreter der Zuwendungsgeber vorgeschlagen, die Einrichtung zu schließen, um so Kosten zu sparen. Für Benedikt Dyrlich, der auch Vorstandsvorsitzender des sorbischen Künstlerbundes ist, ist dieser Vorschlag "billig und unverschämt" - und dazu ein "historisches Ereignis in der Geschichte der deutsch-sorbischen Beziehungen". Zudem müsse man bei allem Streit bedenken: "Die Förderung für die Sorben ist in der Summe nicht mehr als die Förderung für ein mittleres Theater."