Wahl des Bundeskanzlers ©
DBT
Die Wahl des Bundeskanzlers und
Vertrauensabstimmungen
Der politisch brisanteste Akt der Legislative ist die Bestellung
(und der Sturz) der Exekutive. Das Grundgesetz beschränkt die
Mitwirkung des Parlaments am Zustandekommen der Bundesregierung auf
die Wahl des Bundeskanzlers. (Die Bundesminister werden von diesem
berufen.) Trotz der detaillierten Regelungen im Grundgesetz bleibt
die letzte Feinheit des Wahlganges der Geschäftsordnung
vorbehalten. Die Vorschläge zur Wahl eines Bundeskanzlers sind
im zweiten und im dritten Wahlgang (im ersten steht dieses Recht
dem Bundespräsidenten zu) von einem Viertel der Abgeordneten
oder von einer Fraktion einzureichen, deren Mitgliederzahl
mindestens ein Viertel der Gesamtzahl der Abgeordneten umfasst.
Paragraph 97 Absatz 1
besagt in Verbindung mit
Paragraph 10 Absatz 3, dass in diesem Fall
Gastmitglieder einer Fraktion bei der Zählung nicht
mitgerechnet werden.
Die Wahl erfolgt mit verdeckten Stimmzetteln - ein
umständliches Verfahren, das die Geschäftsordnung in
Paragraph 49 geregelt hat, aber jedem aktiven Staatsbürger
bekannt vorkommen dürfte: der Name des Stimmberechtigten wird
aufgerufen, der Abgeordnete erhält erst in räumlicher
Nähe zur Wahlzelle einen amtlichen Stimmzettel und muss die
Wahlkabine betreten; dort "kennzeichnet" er den Stimmzettel (in
gültiger oder - wenn er sich dazu entschlossen hat -
ungültiger Weise), steckt ihn in einen Wahlumschlag und
verlässt erst dann die Kabine, um "seine Stimme" in eine
Wahlurne zu legen. Diese Vorschrift sucht sicherzustellen, dass die
Abgeordneten in diesem schwerwiegenden Fall und bei annähernd
gleichgewichtigen Gelegenheiten unbeeinflusst und unbeobachtet von
ihren Kollegen und den Fraktionsgeschäftsführern nur nach
dem eigenen Gewissen abstimmen.
Weit entfernt vom Kapitel über die Wahl des Bundeskanzlers
(
Paragraph 4) regelt die
Geschäftsordnung in den
Pragraphen 97 und
98 die
Vertrauensabstimmungen über den Bundeskanzler. Da auch hierzu
das Grundgesetz in großer Breite das Verfahren bestimmt hat,
bleibt dem Parlamentsrecht eigentlich nur festzulegen, dass der
Vorschlag für die Neuwahl eines Bundeskanzlers während
der Legislaturperiode (sie wird auch als "konstruktives
Misstrauensvotum" bezeichnet, obwohl sie es nicht in jedem Fall
sein muss) von einem Viertel der Abgeordneten oder einer mindestens
entsprechend großen Fraktion getragen werden und der Kandidat
namentlich benannt sein müssen. "Anträge, die diesen
Voraussetzungen nicht entsprechen, dürfen nicht auf die
Tagesordnung gesetzt werden", lautet die entscheidende Vorschrift,
die in politischen Krisen disziplinierend wirken soll. Scheitert
ein Bundeskanzler mit der im Zusammenhang mit einem Gesetz
gestellten Vertrauensfrage, dann kann der Bundespräsident
unter verfassungsrechtlich beschränkten Bedingungen den
Gesetzgebungsnotstand erklären. Entwürfe der
Bundesregierung sind dann auf die Tagesordnung der nächsten
Sitzung zu setzen, können nur einmal vertagt werden und sind
durch den Bundestag dennoch abgelehnt, wenn zweimal in der zweiten
und dritten Beratung wegen Beschlussunfähigkeit ergebnislos
abgestimmt worden ist.