Die finanzielle Situation der Kommunen ist besorgniserregend. Insbesondere die Gewerbesteuereinnahmen sind drastisch zurückgegangen. In dieser Einschätzung sind sich Opposition und Koalition im Bundestag, aber auch das Bundesfinanzministerium einig. Was aber kann getan werden, um der Finanznot Herr zu werden? Die Linksfraktion will die Gewerbesteuer, deren Aufkommen Städten und Gemeinden zusteht, durch eine Gemeindewirtschaftsteuer ersetzen, um "das Finanzaufkommen der Kommunen zu verstetigen", wie es in einem Antrag ( 17/783) heißt, über den der Bundestag am Freitag, 21. Mai 2010, ab 12.15 Uhr in 75-minütiger Debatte abschließend beraten wird. Der Finanzausschuss hat bereits empfohlen, den Antrag abzulehnen ( 17/1783).
Zudem wird in erster Lesung ein Antrag der Linksfraktion ( 17/1744) beraten, die "Handlungsfähigkeit von Städten, Gemeinden und Landkreisen" wiederherzustellen. Bereits beschlossene Unternehmenssteuersenkungen, die bei den Kommunen zu Mindereinnahmen geführt hätten, seien zurückzunehmen und auf weitere Steuersenkungen sei zu verzichten. Außerdem solle für Kommunen, die nicht in der Lage seien, ihre Schulden zu tilgen,ein Altschuldenhilfe- beziehungsweise Entschuldungsfonds eingerichtet werden.
Die Linksfraktion verlangt darüber hinaus die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer. Für Kapitalgesellschaften, gewerbliche Unternehmen und alle selbstständig ausgeübten Tätigkeiten solle eine Steuerpflicht bestehen und die Gewerbesteuerumlage abgeschafft werden, heißt es in der Vorlage.
Zur weiteren Entlastung der Gemeinden fordert die Linksfraktion eine Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Finanzierung der Unterkunft, der Grundsicherung im Alter, bei Erwerbsminderung sowie Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen und bei der Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Kita-Platz unter drei Jahren.
Bündnis 90/Die Grünen haben einen Antrag ( 17/1764) vorgelegt, die Gewerbesteuer zu stabilisieren und nicht abzuschaffen. Er wird ebenfalls in erster Lesung beraten.
Jede selbstständige, nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht solle danach in die Gemeindewirtschaftsteuer einbezogen werden. Zur Bemessungsgrundlage sollten auch Schuldzinsen gehören, um Gewinn- und Steuerverlagerungen zu verhindern.
Eine Ausnahme von der Gemeindewirtschaftsteuer solle es für die Landwirtschaft geben. Kleine Unternehmer und Existenzgründer sollten ausreichende Freibeträge erhalten. Die von den Kommunen an den Bund zu zahlende Gewerbesteuerumlage solle bis 2015 schrittweise abgeschafft werden, fordert die Fraktion.
Das Vorhaben der Linksfraktion, so kritisierte die Unionsabgeordnete Antje Tillmann anlässlich der ersten Lesung des Antrages Anfang März, würde den Mittelstand, der "die tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft" darstelle und ein "Garant für stabile Arbeitsplätze" sei, mit einer solchen "maßlosen Ausweitung" der Substanzbesteuerung "völlig ausbluten lassen".
"Ihr Antrag ist ein Schuss vor den Bug des kleinen Einzelhändlers an der Ecke", sagte Tillmann. Die Folge sei eine Verringerung des Gewerbesteueraufkommens "aufgrund vermehrter Pleiten". Es gebe jedoch auch "Licht am Ende des Tunnels des Antrags", nämlich bei der Gemeindewirtschaftssteuer, räumte Tilmann ein.
Genau zu diesem Zweck sei die am gleichen Tag erstmals zusammen getretene Regierungskommission zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung unter Leitung von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) Schäuble ins Leben gerufen worden.
Die Aufgabe der Kommission werde darin bestehen, Vorschläge zu unterbreiten, wie eine Neuordnung der Gemeindefinanzierung aussehen könne, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Neben zu prüfenden Entlastungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite werde sie auch über einen Ersatz für die Gewerbesteuer nachdenken, der aufkommensneutral, also ohne zusätzliche Belastung, auskommen soll. Geprüft werden sollen unter anderem ein kommunaler Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie ein höherer Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer.
Ob die Kommission die richtigen Antworten liefern werde, sei "aus gutem Grund zu bezweifeln", sagte der SPD-Abgeordnete Bernd Scheelen vor dem Bundestag. Ziel solle ja offenbar sein, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch "untaugliche Instrumente" der Gegenfinanzierung zu ersetzen.
Ein "weg von der Gewerbesteuer, hin zu Zuschlagsrechten bei Einkommen- und Körperschaftsteuer" würde nach Ansicht des SPD-Politikers "ein erlahmendes Interesse der Kommunen an der Ansiedlung von Unternehmen" zur Folge haben, zu einer Verlagerung der Steuerbelastung von der Wirtschaft hin zu den Arbeitnehmern führen ebenso wie zu einer Verschärfung der Stadt-Umland-Problematik. "Das kann niemand ernsthaft wollen, der es gut mit Städten und Gemeinden meint", sagte Scheelen.
Die Linksfraktion ziehe aus der "dramatischen Haushaltssituation der Kommunen" die falschen Schlüsse, befand die FDP-Abgeordnete Birgit Reinemund. "In typischer Manier linker Ideologie sehen Sie die einzige Lösung in zusätzlichem Abkassieren von Steuerzahlern", kritisierte sie und erinnerte daran, dass die FDP seit Jahren gefordert habe, die Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen, "mit eigenem Hebesatzrecht für die Kommunen"
"Hätte man früher auf die FDP gehört, sähe es heute bei den Gemeindefinanzen anders aus", sagte Reinemund.
Es sei unstrittig, dass die Kommunen in der Regel unverschuldet in ihre prekäre Lage geraten seien, sagte Katrin Kunert (Die Linke). Vielmehr hätten Fehlentscheidungen der Bundesregierung unter Rot-Schwarz und Schwarz-Gelb dazu geführt, dass die Sozialausgaben explodiert seien. "Die Kosten hierfür tragen zu einem großen Teil die Kommunen. Gleichzeitig zieht sich der Bund immer mehr aus der Finanzierung der Sozialleistungen zurück", kritisierte die Abgeordnete der Linksfraktion.
Zu den "strukturellen Finanzproblemen" kämen jetzt als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise noch "enorme Einbrüche" bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer hinzu. Im Unterschied zur FDP sei dies für Die Linke jedoch kein Grund, deren Abschaffung zu fordern. Vielmehr müsse die bestehende Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickelt werden. Künftig müssten alle unternehmerisch Tätigen in die Steuer einbezogen werden.
Für die Forderung, dass "freie Berufe mit in die Gewerbesteuerpflicht einbezogen und die gewinnunabhängigen Elemente voll hinzugezogen werden", würden die Grünen schon seit 2003 werben, sagte Britta Haßelmann. Dennoch fehle dem Linken-Antrag ein zentraler Punkt: "Sie müssen Unternehmen die Verrechnung von Verlusten ermöglichen und so die Steuer für wirtschaftlich schwierige Zeiten flexibler gestalten", forderte Haßelmann.
Während die Linksfraktion aus ihrer Sicht "zu kurz springt", sei der Ansatz von Union und FDP, die Gewerbesteuer abzuschaffen und durch Umsatzsteueranteile und Hebesätze auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer zu ersetzen, "abenteuerlich". Es sei völlig unklar, wer künftig die 35 Milliarden Euro für die Gewerbesteuer aufbringen müsse.