Der Reichstag wurde in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl durch Männer auf drei, ab 1888 auf fünf Jahre bestimmt. Seine Zuständigkeiten beschränkten sich im Wesentlichen auf die Gesetzgebung und die Verabschiedung des Budgets. Den rund 400 Abgeordneten stand die Wahl des Reichskanzlers nicht zu. Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber dem Parlament war bedeutungslos: Er war in erster Linie dem Kaiser verantwortlich.
Die Reichskanzler fanden in der Regel bei Konservativen und Nationalliberalen Rückhalt für ihre Politik. Nach 1871 versuchte Reichskanzler Otto von Bismarck im Rahmen des "Kulturkampfes", den politischen Einfluss des Katholizismus zurückzudrängen. Damit zielte er auch auf die katholische Zentrumspartei. Die Sozialdemokraten sahen sich ebenfalls Repressionen ausgesetzt. Trotz des 1878 erlassenen "Sozialistengesetzes" gelang es aber nicht, die Arbeiterbewegung auszuschalten. 1912 wurde die SPD sogar stärkste Fraktion im Reichstag.
Führende Abgeordnete von SPD, Zentrum und Fortschrittlicher Volkspartei bildeten ab Juli 1917 im Reichstag den Interfraktionellen Ausschuss. Die von diesen Parteien getragene Parlamentsmehrheit drängte angesichts der militärischen Lage im Ersten Weltkrieg auf einen Verständigungsfrieden und die Parlamentarisierung des politischen Systems. Doch erst das Eingeständnis der Kriegsniederlage führte zu parlamentarischen Reformen im Deutschen Reich. Das am 3. Oktober 1918 neu eingesetzte Kabinett unter Max von Baden war die erste von einer parlamentarischen Mehrheit getragene deutsche Reichsregierung. In der kriegsmüden Bevölkerung blieb die Durchsetzung der parlamentarischen Reformen jedoch weitgehend unbeachtet. Der Erste Weltkrieg endete am 11. November 1918 mit Unterzeichnung eines für Deutschland harten Waffenstillstandsvertrages.