Berlin: (hib/BES) Die Gedenkstätten
in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren positiv
entwickelt - so lautet das einhellige Urteil der
Sachverständigen, die sich im Vorfeld einer öffentlichen
Anhörung zum Gedenkstättenkonzept des Bundes in
schriftlichen Stellungnahmen geäußert haben. Anlass
für das Expertengespräch, das um 16 Uhr begonnen hat, ist
ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur "Förderung von
Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland" (
15/3048). Darin fordert die Union von der
Bundesregierung ein Gesamtkonzept, das Institutionen und Orte
einschließe, die sowohl an die nationalsozialistische
Herrschaft als auch an die kommunistische Diktatur bis 1989
erinnern. Die Fraktion unterscheidet zwischen zentralen Orten der
Erinnerung an Repression und Widerstand während der
NS-Diktatur, authentischen Orten der Erinnerung und des Gedenkens
an die Verbrechen der NS-Diktatur und der kommunistischen
Gewaltherrschaft sowie Orten der Erinnerung an Repression und
Widerstand in der SED-Diktatur. Daneben müsse es auch um
Stätten von Opposition und Widerstand sowie von Flucht und
Vertreibung, aber auch um authentische Orte zur Geschichte der
deutschen Teilung gehen. Diese Erinnerungsorte sollten als
Gedenkstätten von herausragender nationaler Bedeutung vom Bund
gefördert werden. Trotz der positiven "Noten" der Experten
für die Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 1999, die
auf Ergebnissen der zweiten Enquete-Kommission des Bundestages zur
SED-Diktatur aufbaute, empfiehlt die Mehrheit der
Sachverständigen eine Weiterentwicklung des Konzepts und sieht
auch Defizite. Dazu gehören nach Meinung von Rainer Eckert,
Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums der Stiftung "Haus der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", unter anderen das
Fehlen einer "Topographie der SED-Diktatur" in Berlin, das
Mauergedenken in der Hauptstadt, der Ausbau der Gedenkstätten
in Berlin-Hohenschönhausen und im Amtssitz des Ministers
für Staatssicherheit Haus1. "Nachholbedarf" sieht Professor
Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte
in München, bei Gedenkstätten für Opfer
kommunistischer Diktaturen, darunter der SED-Diktatur. Auf dieses
Problem geht auch Joachim Gauck, Vorsitzender der Berliner Vereins
"Gegen Vergessen - Für Demokratie", ein: "Die Aufarbeitung der
NS-Vergangenheit und ihre staatliche Förderung sind breiter
akzeptiert und fester im öffentlichen Bewusstsein verankert
als die Aufarbeitung der SED-Diktatur." Es bestehe die Gefahr, so
der frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen,
dass die Auseinandersetzung mit dieser Diktatur zu einer
Angelegenheit der Betroffenen in den Regionen gemacht werde, da die
Mehrheit der Deutschen keine eigenen Erfahrungen mit der
kommunistischen Zwangsherrschaft habe. Die Aufarbeitung dieser Zeit
dürfe nicht durch Finanzprobleme östlicher Länder
und Kommunen behindert werden. Hier müsse der Bund helfen, zum
Beispiel durch eine spezielle Förderung von exemplarischen
Orten für Verfolgung und Widerstand in der SBZ und DDR.
"Gravierende Probleme" in diesem Bereich sieht auch Hubertus Knabe,
Wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen. Insbesondere das Land Berlin
stoße bei der Finanzierung auf seine Grenzen, da in der
Hauptstadt aus historischen Gründen überdurchschnittlich
viele Gedenkstätten vorhanden sind. Die mangelnde finanzielle
Unterstützung führe dazu, dass wichtige authentische Orte
nur unzureichend als "Stätten lebendiger historischer
Vermittlungsarbeit" genutzt werden; teilweise sei deren bauliche
Substanz "akut" bedroht, so Knabe, der auch die Wissensdefizite
beim Thema kommunistische Diktatur beklagte. Thomas Lutz,
Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft
KZ-Gedenkstätten - Topographie des Terrors in Berlin, weist
hingegen auf "ein eindeutiges Ungleichgewicht zugunsten der
Gedenkstätten der NKWD-Lager und SED-Diktatur" hin.
Während die Gedenkstättenförderung des Bundes
für beide gleichermaßen offen sei, gebe es durch die
Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur vielfältige
Fördermöglichkeiten für die SBZ- und
DDR-Diktaturaufarbeitung, die für die Gedenkstätten der
NS-Opfer nicht existierten. Keine Notwendigkeit, das geltende
Gedenkstättenkonzept grundlegend zu verändern, sieht
Professor Bernd Faulenbach von der Ruhr-Universität Bochum.
Dies gelte auch für die Förderpraxis, wobei eine
Ausweitung der institutionellen Förderung sinnvoll wäre.
Die Bundesförderung sollte "von Zeit zu Zeit" bilanziert und
die Ergebnisse in sachlicher Weise diskutiert werden.
Außerdem sollte die Bundesregierung regelmäßig,
zum Beispiel im Abstand von zwei bis vier Jahren, einen
Bundesgedenkstättenbericht vorlegen, schlägt Faulenbach
vor.