Berlin: (hib/MPI) Die Stasi-Opfer sind
entsetzt über eine geplante Besserstellung von
dienstbeschädigten Funktionsträgern der DDR. In einer
öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und
Soziales am Montag äußerte die Union der
Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG)
"Empörung und Verbitterung" über zwei identische
Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen (
16/444) und der Bundesregierung (
16/754), mit denen auf Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. November 2001 und vom 9. November
2004 sowie des Bundessozialgerichts vom 20. Juli 2005 reagiert
wird. In diesen wurde festgelegt, dass unter anderen früheren
Stasi-Mitarbeitern Alterszulage, Beschädigtengrundrente und
Schwerstbeschädigtenzulage in voller Höhe zu
gewähren sind. Ebenfalls einbezogen werden müssen demnach
die Angehörigen der übrigen Sonderversorgungssysteme der
DDR, also der Nationalen Volksarmee, der Deutschen Volkspolizei,
der Feuerwehr und des Strafvollzugs. Der UOKG unterstrich,
während viele Opfer des Kommunismus "in bitterer Not" lebten
und seit langem um eine so genannte Opferrente kämpften, werde
"das Gesetz dazu beitragen, ihre früheren Peiniger finanziell
weiter zu stärken". Der Direktor der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen im ehemaligen zentralen
Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit, Hubertus Knabe,
bestätigte, dass es auf Seiten der Opfer großes
Unverständnis für die Regelung gebe. Er erinnerte daran,
dass den meisten Opfern eine Karriere in der DDR verwehrt geblieben
sei. Damit würden sich auch heute noch, zum Beispiel bei der
Rentenhöhe, benachteiligt. Die Behörde der
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU)
begrüßte allerdings, "dass die ungerechtfertigte
materielle Besserstellung" von früheren Stasi-Mitarbeitern in
dem Gesetzesvorhaben "vermieden wird, soweit dies nach den
verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässig ist". Insbesondere
lobte die BStU, dass ein Ausschluss von Leistungen dann
möglich sei, wenn ein früherer DDR-Funktionsträger
gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen habe.
Auf eine Frage der FDP untermauerte der Staatsrechtler Ulrich
Battis diese Einschätzung. Auf Nachfragen von Union und SPD
fügte das BStU hinzu, dass in ihren Beständen
Gesundheitsunterlagen vorhanden seien, die es grundsätzlich
möglich machten, den Hergang von Dienstunfällen
nachzuvollziehen. In einer Einzelfallprüfung könne daher
etwa ermittelt werden, ob ein Dienstunfall im Zusammenhang mit
Folter entstanden sei. Nach Einschätzung der Behörde
handelt es sich noch um zirka 800 dienstbeschädigte ehemalige
Stasi-Mitarbeiter. Auf eine Frage der Grünen
äußerte der Sozialrechtsexperte Heinz-Dietrich
Steinmeyer die Vermutung, dass die Fälle, bei denen die
Dienstbeschädigung unmittelbar im Zusammenhang mit der
Tätigkeit beispielsweise eines Stasi-Offiziers gestanden habe,
so gering seien, dass die gesetzliche Möglichkeit zum
Leistungsausschluss "verpufft". Die in einem Änderungsantrag
der Koalitionsfraktionen vorgesehene Anwendung des Gesetzes auf
nichteheliche Lebenspartnerschaften mit Kindern unter drei Jahren
ist aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht ausreichend,
wie dieser auf Frage der Fraktion Die Linke darlegte. Die Deutsche
Rentenversicherung Bund begrüßte hingegen das
Gesetzesvorhaben. Ohne eine gesetzliche Klarstellung ergäbe
sich eine Belastung für die Rentenkasse von mindestens rund
640 Millionen Euro.