Berlin: (hib/MPI) Die Große
Koalition will den Krankenkassen einen größeren
zeitlichen Spielraum bei der Entschuldung geben als zunächst
geplant. Mit den Stimmen von Union und SPD beschloss der
Gesundheitsausschuss am Mittwoch einen entsprechend geänderten
Entwurf zur Reform des Vertragsarztrechtes (
16/2474). Danach kann die Entschuldung von
Kassen um ein Jahr auf Ende Dezember 2008 ausgedehnt werden, wenn
der jeweilige Spitzenverband dem Bundesgesundheitsministerium bis
zum 31. Januar 2007 "nachprüfbar darlegt", warum der Abbau der
Verschuldung bis Ende 2007 nicht möglich ist. Ferner muss der
Spitzenverband einen Plan vorlegen, wie die Entschuldung der
betreffenden Kasse bis Ende 2008 zu erreichen ist. Es bleibt nach
dem Willen der Koalition jedoch dabei, dass die Schulden einer
Kasse bis zum Start des geplanten Gesundheitsfonds 2009
gegebenenfalls von den anderen Kassen einer Kassenart (also etwa
den Allgemeinen Ortskrankenkassen oder den Betriebskrankenkassen)
getragen werden müssen. Viele Kassenverbände erwarten
dadurch deutliche Beitragssteigerungen. Die Entschuldungsregelung
stieß im Ausschuss bei allen Oppositionsfraktionen auf
heftige Kritik. Die FDP-Fraktion kritisierte, bestraft würden
gerade die Kassen, die in den vergangenen Jahren solide
gewirtschaftet und zum Teil unbequeme Einsparungen vorgenommen
haben. Diese Kassen müssten nun ihre Rücklagen an
verschuldete Kassen abtreten. "Belohnt werden die, die nicht
ordentlich gewirtschaftet haben", so die Liberalen. Die Fraktion
Die Linke betonte, die Entschuldungsfrage werde von der Koalition
"in unverantwortlicher Weise" gelöst. Wenn man "den K. o."
für manche Kassen vermeiden wolle, müsse deren
Entschuldungsfrist weiter gestreckt werden, da sie ansonsten nur
noch Beitragssätze anbieten könnten, die nicht mehr
wettbewerbsfähig sind. Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen bemängelte zudem, dass die Entscheidung über
die Verschuldungsumlage künftig mit einfacher Mehrheit
beschlossen werden könne. Bei der Abstimmung werde nicht mehr
berücksichtigt, wie viele Mitglieder eine Kasse habe.
Abgeordnete von Union und SPD wiesen darauf hin, dass die
Entschuldungspflicht für die Kassen bereits Gesetz sei. Mit
der jetzigen Regelung werde die Voraussetzung geschaffen, dass sich
einzelne Kassen nicht mehr der Solidarität verweigern
könnten. Der Vorwurf, es würden die Kassen bestraft, die
sich angestrengt haben, sei "nicht korrekt". So würden bei der
Umlage von Schulden etwa die Beitragshöhen der Kassen
berücksichtigt werden. Für die Reform des
Vertragsarztrechts erntete Schwarz-Rot überwiegend Lob. Die
Oppositionsfraktionen verwiesen jedoch darauf, dass der
Gesetzentwurf mit der kurzfristigen Erweiterung um die
Entschuldungsregelung nicht mehr zustimmungsfähig sei. Die
Grünen sprachen in diesem Zusammenhang von einem
"Vergiftungsartikel". Im Kern wird mit dem Gesetz angestrebt, den
Ärztemangel in einigen Regionen, besonders in Ostdeutschland,
zu bekämpfen. Dazu sollen niedergelassene Ärzte und
Zahnärzte künftig Zweigpraxen eröffnen dürfen
und zwar auch außerhalb eines Bezirks einer
Kassenärztlichen Vereinigung. Zudem sollen Vertragsärzte
und -zahnärzte ohne Begrenzung Mediziner anderer
Fachrichtungen anstellen dürfen. Der Gesetzentwurf steht zur
abschließenden Beratung für Freitag auf der Tagesordnung
des Bundestages. Das Gesetz, das nicht durch den Bundesrat
zustimmungspflichtig ist, soll zum 1. Januar 2007 In Kraft
treten.