Berlin: (hib/SUK) Ist die Forderung der
Bundesregierung, dass ausländische Ehegatten nur dann nach
Deutschland nachziehen dürfen, wenn sie bereits über
Deutschkenntnisse verfügen, mit dem Grundgesetz vereinbar?
Diese Frage stand bei den meisten Sachverständigen im
Mittelpunkt ihrer Eingangsstatements, als sie am Montagvormittag
von den Abgeordneten des Innenausschusses zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher
EU-Richtlinien (
16/5065) gehört wurden. Bei der geplanten
Regelung zum Ehegattennachzug gebe es verfassungs- und
gemeinschaftsrechtliche Bedenken, führte der Vertreter des
Bundesverwaltungsgerichts Klaus Dienelt aus. Der Wunsch nach
Sprachkenntnissen sei zwar "verständlich" und
"integrationspolitisch wünschenswert", ohne die
Einführung einer bislang nicht vorgesehenen
Härtefallklausel entstehe jedoch im Extremfall ein dauerhaftes
Nachzugsverbot, das im Widerspruch zu einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts stehe. Dagmar Freudenberg vom Deutschen
Juristinnenbund forderte die Parlamentarier auf, das Kriterium der
Sprachkenntnisse "ersatzlos zu streichen", da damit etwa Frauen aus
Ländern, in denen es nur wenige oder keine Angebote für
Sprachkurse gebe, diskriminiert würden. In der Praxis sei es
sinnvoller, wenn die nachziehenden Ehepartner die Sprachkurse in
Deutschland absolvieren würden, da so auch die
Möglichkeit einer "inhaltlichen Kontrolle" der Kurse bestehe.
Auch der Frankfurter Rechtsanwalt Reinhard Marx plädierte
gegen die Regelung: So wie die Familienzusammenführung derzeit
geplant sei, werde es zu "integrationsfeindlichen Auswirkungen"
kommen. Ähnlich kritisch äußerte sich Stefan
Kessler vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst. In seiner
schriftlichen Stellungnahme hatte er die Regelung als
"unverhältnismäßigen Eingriff in das
Ausländern und Deutschen gleichermaßen zukommende
Grundrecht auf eheliches Zusammenleben" gewertet. Kay Heilbronner
(Universität Konstanz) und Christian Hillgruber (Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) verteidigten die
Regelung: Aus Artikel 6 des Grundgesetzes, der den Schutz der
Familie gewährt, lasse sich kein Anspruch auf den Nachzug
ausländischer Ehepartner ableiten, so Heilbronner. Der Wunsch
nach sprachlicher Integrationsfähigkeit nachziehender
Ehepartner sei ein "gewichtiges Rechtsgut" - eine entsprechende
Regelung sei nur dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sie den
Nachzug dauerhaft und irreversibel verhinderte. Dies sei jedoch
nicht der Fall. Auch Hillgruber führte aus, die getroffene
Regelung sei im Sinne des Gemeinwohls und
verhältnismäßig. Eine sprachliche
Integrationsleistung sei erforderlich, denn die fehlende oder
mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache werde "zu Recht als
größtes Integrationsmanko" wahrgenommen und
schließe Betroffene vom wirtschaftlichen, kulturellen und
gesellschaftlichen Leben in Deutschland aus. Elke
Tießler-Marenda vom Deutschen Caritas Verband und Ruth
Weinzierl vom Deutschen Institut für Menschenrechte
kritisierten den Gesetzentwurf, da er die EU-Richtlinien zum Teil
gar nicht oder mangelhaft umsetze und dies da, wo es geschehe, nur
restriktiv tue. Ehen mit einem ausländischen Partner
würden, so Tießler-Marenda in ihrer Stellungnahme, unter
"den Generalverdacht gestellt", dass ihr Abschluss unter Zwang oder
mit Täuschungsabsicht erfolge. Auch Weinzierl
äußerte die Überzeugung, der Entwurf löse "zum
Teil erhebliche Bedenken bezüglich seiner
Menschenrechtskonformität" aus. Ob die Regelungen zum
Familiennachzug geeignet seien, um die damit gewünschten Ziele
zu erreichen, sei zweifelhaft.
Herausgeber
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Götz Hausding, Michael Klein, Dr.
Susanne Kailitz, Dr. Volker Müller, Monika Pilath, Günter
Pursch, Annette Sach, Bernadette Schweda, Alexander Weinlein,
Siegfried F. Wolf