Konzept temporärer Arbeitsmigration stößt auf
Skepsis
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (Anhörung) - 16.01.2008
Berlin: (hib/KOS) Auf Skepsis und Kritik
stößt bei Sachverständigen das Konzept, über
Arbeitsmigration aus ärmeren Ländern und über die
damit verbundenen Geldüberweisungen in die Heimat die
wirtschaftliche Entwicklung in diesen Staaten voranzubringen. Zum
Auftakt einer Anhörung des Ausschusses für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über
europäische Migrationspolitik und Entwicklungszusammenarbeit
warnten mehrere Experten zudem vor der Erwartung, über
Entwicklungshilfe die Zuwanderung aus ärmeren Weltregionen
verringern zu können. Kritik wurde am Modell der
"Zirkulären Migration" geäußert, wonach ein
zeitlich begrenzter Aufenthalt von Arbeitskräften aus
unterentwickelten Ländern den Finanz- und Wissenstransfer in
die Staaten des Südens fördern soll. Unter Verweis auf
das statistische Ausmaß der Arbeitsmigration meinte Jeff
Dayton-Johnson vom Entwicklungszentrum der OECD, dass solche
Wanderungsbewegungen nur in geringem Umfang zum ökonomischen
Aufbau in ärmeren Regionen beizutragen vermögen. So
stammten 57 Millionen und damit lediglich fünf Prozent der
Bewohner in den OECD-Ländern aus anderen Staaten. Von diesen
57 Millionen komme wiederum die Hälfte aus dem OECD-Bereich.
Die Arbeitsmigranten aus unterentwickelten Regionen zählten
zudem überwiegend zu den Geringverdienern. Schon von daher
könnten deren Einkünfte keinen großen Beitrag zur
Armutsbekämpfung in den Herkunftsstaaten leisten.
Dayton-Johnson erläuterte, dass auch eine Verbesserung der
wirtschaftlichen Situation und damit der Einkommenslage in
ärmeren Ländern die dortige Auswanderungsbereitschaft
nicht vermindere, sondern eher noch erhöhe. Eine Umkehr dieses
Trends sei erst über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten
zu erwarten. Deutliche Kritik am Konzept der "Zirkulären
Migration" formulierte Bernd Mesovic von der
Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl: Es stelle sich die
Frage, ob es bei diesem Modell einen Unterschied zur ehemaligen
Gastarbeiter-Politik gebe. Sei die Strategie des zeitlich
begrenzten Arbeitsaufenthalts von Zuwanderern mit einem
Rückkehrzwang verbunden, "dann werden die alten Fehler
wiederholt". Mesovic warnte vor der Verletzung von
Bürgerrechten, wenn die "Zirkuläre Migration" zu
repressiven Regelungen beim Familiennachzug führe. Der
Pro-Asyl-Vertreter sieht die Gefahr, dass das Konzept eines
temporären Aufenthalts zu Lasten von Flüchtlingen gehen
könne: nämlich dann, wenn gegenüber diesem
Personenkreis rigide verfahren und stattdessen die gesteuerte
Arbeitswanderung zum Nutzen der Industriestaaten ausgebaut werde.
Aus Sicht Steffen Angenendts von der Stiftung Wissenschaft und
Politik wird die Migration in die EU-Staaten zunehmen. Diese
Entwicklung wurzele im wachsenden Auswanderungsdruck in weniger
entwickelten Regionen sowie im Interesse der EU-Länder an
einer gewissen Zuwanderung aus demografischen Gründen und
wegen eines absehbaren Mangels an Fachkräften in Teilbereichen
der Wirtschaft. So wollten die Regierungen in den Nachbarstaaten
der EU über Auswanderung ihre heimischen Arbeitsmärkte
entlasten, auch setzten sie auf die Geldüberweisungen ihrer
Arbeitsmigranten. Angenendt plädierte dafür, mit
Pilotprojekten zu prüfen, welche Auswirkungen das
Brüsseler Modell der "Mobilitätspartnerschaften" in der
Praxis habe. Diese Strategie, die Nachbarländer der EU zu
einer Eindämmung illegaler Migration anzuhalten und im
Gegenzug für eine begrenzte Zahl von Zuwanderern bestimmte
Kontingente für einen temporären Arbeitsaufenthalt zur
Verfügung zu stellen, sei bislang noch nicht konkret
ausformuliert worden.
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