Berlin: (hib/MPI) Die gesundheitliche
Prävention soll nach überwiegender Expertenmeinung auf
eine breitere Finanzierungsbasis gestellt werden. Die
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen machten sich in
einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am
Montagvormittag dafür stark, dass sich an der Finanzierung
auch die öffentliche Hand beteiligt. Bei der Prävention
handele es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht
allein von den Sozialversicherungsträgern übernommen
werden könne, sagte Bernd Metzinger,
Gesundheitswissenschaftler beim IKK-Bundesverband in Berlin. Es
müsse zudem überlegt werden, wie die Industrie beteiligt
werden könne. Auch der Experte der Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Gert Nachtigal,
plädierte für eine Finanzierung aus Steuermitteln.
Ausgenommen seien Bereiche, in denen sich Leistungen auf
sozialversicherte Arbeitnehmer beschränkten, etwa bei der
Unfallprävention durch Arbeitsschutz, bei der die
Berufsgenossenschaften in der Pflicht stünden. Der
Sachverständige des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Knut
Lambertin, betonte, die gesetzliche Krankenversicherung allein sei
mit der Finanzierung überfordert. Alle Sicherungssysteme
müssten beteiligt werden. Dem widersprach aber die
Bundesagentur für Arbeit, die ihre vorrangige Aufgabe in der
Arbeitsvermittlung sieht. Der Anhörung lagen Anträge der
Oppositionsfraktionen zugrunde, die alle ein Präventionsgesetz
zum Ziel haben. Aus Sicht der Liberalen ist die Prävention als
aktive Gesundheitsvorsorge primär eine individuelle
Herausforderung, wie aus ihrem Antrag (
16/8751) hervorgeht. Es sei aber eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bedeutung der Prävention
und Gesundheitsförderung zur Vermeidung, Heilung und Linderung
von vielen Erkrankungen zu verdeutlichen. Die Finanzierung
dürfe deshalb nicht allein auf die Kranken- bzw.
Sozialversicherung zentriert werden. Die Linksfraktion verlangt in
ihrem Antrag (
16/7471), Gesundheitsförderung und
Prävention sollten zur ersten Säule der
Gesundheitssicherung ausgebaut werden. Die Abgeordneten fordern,
eine Koordinierungs- und Entscheidungsstelle auf Bundesebene zu
schaffen, die organisatorisch an die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung angebunden wird und über
eigene finanzielle Mittel im Rahmen eines Fonds verfügt. Zum
Start seien aus dem Bundeshaushalt in den nächsten vier Jahren
jeweils eine Milliarde Euro an den Fonds zu überweisen. Die
Grünen setzen sich in ihrem Antrag (
16/7284) dafür ein, dass sich an der
Finanzierung einer gesamtgesellschaftlichen
Primärprävention und deren Qualitätsentwicklung
Bund, Länder und Kommunen sowie alle Sozialversicherungszweige
und die private Kranken- und Pflegeversicherung beteiligen. Im
Rahmen des Präventionsgesetzes sollen in der Startphase
jährlich 500 Millionen Euro verausgabt werden. Streit gibt es
beim Thema Prävention weiterhin in der Frage der
künftigen Organisation. Die Spitzenverbände der
Krankenkassen wandten sich gegen den Aufbau neuer Strukturen, etwa
der diskutierten Präventionsräte auf Bundes- und
Landesebene. Eine bessere Koordination erfordere "nicht ein
völlig neues System" und eine "neue Bürokratie", sagte
Metzinger. Vielmehr sollte auf Vorhandenes gesetzt werden. Die
nationale Koordination könnten etwa die Deutsche Vereinigung
für Prävention und Gesundheitsförderung sowie die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
übernehmen. Die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes,
Ulrike von Haldenwang gab dagegen zu Bedenken, dass derzeit viele
Ressourcen in der Prävention "verschleudert" würden, da
die Vernetzung insbesondere auf der lokalen Ebene fehle. Raimund
Geene, Professor für Kindergesundheit an der Hochschule
Magdeburg/Stendal, betonte, die bisherige Koordination sei "allen
Beschwichtigungsversuchen zum Trotz absolut
unzulänglich".
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Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen (bis 31.03.2008), Saskia Leuenberger
(ab 01.04.2008 )
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