Pressemeldung -
30.05.2005
"Offensive öffentliche Debatte
über Europa notwendig"
Zum Ergebnis des französischen
Referendums zum europäischen Verfassungsvertrag erklärt
der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe
im Deutschen Bundestag, Dr. Andreas Schockenhoff:
"Das Nein der Französinnen und Franzosen zum europäischen
Verfassungsvertrag ruft in Deutschland große
Enttäuschung hervor. Frankreich und Deutschland müssen
nun gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um den
europäischen Integrationsprozess auch ohne den
Verfassungsvertrag voranzutreiben.
Seit 1950 gibt es keinen substantiellen Integrationsfortschritt
ohne eine vorangehende deutsch-französische Initiative. Die
Überlebensfähigkeit der EU hängt von der weiteren
Vertiefung der Integration ab und wir brauchen daher eine schnelle
Überwindung der Krise. Frankreich und Deutschland müssen
gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um den
Integrationsprozess nun noch intensiver voranzutreiben. Das
französische Nein zum Verfassungsvertrag bedeutet, dass Europa
die anstehenden Aufgaben auf der Grundlage des Vertrages von Nizza
bewältigen muss und die Strukturen für ein
handlungsfähiges Europa somit unzulänglich sind.
Insbesondere im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
sind die Nationalstaaten im heutigen Europa nicht mehr in der Lage,
ihre nationalen Interessen allein durchzusetzen. Doch Beispiele wie
die Europäische Verteidigungsagentur zeigen, dass wichtige
Fortschritte auch ohne neue Verträge möglich sind. Durch
konkrete bilaterale Initiativen kann die deutsch-französische
Zusammenarbeit wieder ihren Mehrwert für die EU gewinnen. Dazu
müssen Deutschland und Frankreich die kleinen und
mittelgroßen EU-Staaten endlich wieder einbeziehen.
Das Ergebnis des Referendums in Frankreich zwingt die EU-Mitglieder
und allen voran Frankreich und Deutschland, die strategische
Ausrichtung der EU zu überdenken.
Das französische Nein zum Verfassungsvertrag ist nicht nur als
Antwort auf nationale Missstände zu sehen, sondern auch als
Folge elementarer Widersprüche der EU, beispielsweise zwischen
dem liberalen Binnenmarktmodell einerseits und den
Agrarsubventionen andererseits oder zwischen dem Anspruch der EU,
ein politischer Global Player zu werden und der Tatsache, dass ihr
für außenpolitische Maßnahmen nur sieben Prozent
ihres Budgets zur Verfügung stehen. Die Union hat stets auf
die Notwendigkeit hingewiesen, die äußeren Grenzen der
EU und somit eine kohärente europäische
Nachbarschaftspolitik klar zu definieren, um für die Menschen
überzeugend zu bleiben. Nach dem Ergebnis in Frankreich
müssen diese Versäumnisse dringend nachgeholt werden, um
Europa wieder bürgernah und überzeugend zu gestalten. Das
französische Referendum hat vor allem gezeigt, dass die
Menschen die EU für zu technokratisch und nicht ausreichend
transparent halten. Daher ist nun in Frankreich aber auch in
Deutschland als Antwort auf das Referendum eine offensive
öffentliche Debatte über Europa notwendig."
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