Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 30. April 2007)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Ver.di lehnt „halbherzige Kompromisse“ beim Thema Mindestlohn ab
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di warnt die Koalition vor einer Schmalspurlösung im Streit um die Einführung von Mindestlöhnen. Der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 30. April) sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende von ver.di, Margret Mönig-Raane: „Alle Beteiligten scheinen sich doch einig darüber zu sein, dass Arbeit nicht arm machen darf. Wer da ernsthaft ran will, sollte sich nicht aus parteitaktischem Kalkül auf halbherzige Kompromisse einlassen.“ Die Neuordnung des Niedriglohnbereichs sei „nur mit der Einführung von Mindestlöhnen realistisch“. Mönig-Raane fügte hinzu, sie „gehe davon aus, dass man nicht mit halben Sachen aufhören“ könne. Es sei notwendig, Sozialdumping zu verhindern. Die Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetz auf weitere Branchen sei eine wirksame Maßnahme, „aber nicht geeignet für die Bekämpfung von Armutslöhnen in allen Branchen“.
Mit Blick auf den 1. Mai sagte die ver.di-Vizechefin, es würden „sicherlich einige Hunderttausend auf die Straße gehen, um auf die hohe Verantwortung hinzuweisen, die Politik hat, Lebenschancen von Menschen, menschenwürdiges Arbeiten und Leben zu realisieren“. Im Übrigen gebe es „nicht einen einzigen Beleg“ für die Behauptung, ein gesetzlicher Mindestlohn würde Jobs kosten. „Im Gegenteil. Es gibt unterm Strich mehr Arbeitsplätze“, betonte Mönig-Raane. Sie fügte mit Blick aus Reihen der Union hinzu: „Mit der Angst vor dem Verlust von Jobs wird immer dann wider besseren Wissens operiert, wenn es keine anderen Argumente mehr gibt.“
Im Streit über Mindestlöhne hatten die Koalitionsspitzen in der vergangenen Woche keine Einigung erzielt. Das Thema soll nun im Koalitionsausschuss am 14. Mai erörtert werden. Die Gewerkschaften machen sich für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde stark.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Mönig-Raane, die Bundeskanzlerin hat einem gesetzlichen Mindestlohn eine Absage erteilt. Ist er damit in weite Ferne gerückt?
Mönig-Raane: Davon gehe ich nicht aus. Die Große Koalition hat die Neuordnung des Niedriglohnbereiches auf der Tagesordnung. Das ist nur mit der Einführung von Mindestlöhnen realistisch.
Als kleinster gemeinsamer Nenner zeichnet sich in der Koalition allerdings bloß eine Ausdehnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auf wenige weitere Branchen ab. Wie wollen Sie mit ihrer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 pro Stunde Gehör finden?
Mönig-Raane: Ich gehe davon aus, dass man nicht mit halben Sachen aufhören kann. Es ist notwendig, Sozialdumping zu verhindern. Man kann nicht vor all den schädlichen Folgen nicht nur für die eigentlich Betroffenen, sondern auch für unsere Sozialsysteme, für die Gesellschaft und für Kinder in Armut die Augen verschließen, sondern muss wirksame Maßnahmen ergreifen. Das Entsendegesetz ist sicherlich eine davon, aber nicht geeignet für die Bekämpfung von Armutslöhnen in allen Branchen.
Mit Blick auf den 1. Mai – wie wollen die Gewerkschaften Druck für Mindestlöhne machen?
Mönig-Raane: Es werden sicherlich einige Hunderttausend auf die Straße gehen, um auf die hohe Verantwortung hinzuweisen, die Politik hat, Lebenschancen von Menschen, menschenwürdiges Arbeiten und Leben zu realisieren. Das darf nicht einer etwaigen sozialen Einstellung von Unternehmern oder aber dem Konkurrenzdruck, dem auch gutwillige Arbeitgeber ausgeliefert sind, überlassen werden. Und darum brauchen wir wie unsere europäischen Nachbarn einen gesetzlichen Mindestlohn.
Die Union befürchtet, ein gesetzlicher Mindestlohn könnte Hunderttausende Jobs kosten. Warum halten Sie das für falsch?
Mönig-Raane: Weil es nicht einen einzigen Beleg für diese Behauptung gibt. In allen Industriestaaten dieser Welt, die einen Mindestlohn haben – in Großbritannien wird er übrigens gerade auf 8 Euro erhöht – ist das nicht eingetreten. Im Gegenteil. Es gibt unterm Strich mehr Arbeitsplätze. Mit der Angst vor dem Verlust von Jobs wird immer dann wider besseren Wissens operiert, wenn es keine anderen Argumente mehr gibt.
Wo könnte denn aus Ihrer Sicht eine Kompromisslinie in der Großen Koalition verlaufen?
Mönnig-Raane: Wir machen uns stark für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro, weil nur dadurch Armutslöhne wirksam und nachhaltig bekämpt werden können. Alle Beteiligten scheinen sich doch einig darüber zu sein, dass Arbeit nicht arm machen darf. Wer da ernsthaft ran will, sollte sich nicht aus parteitaktischem Kalkül auf halbherzige Kompromisse einlassen.