Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 7. Juli 2008)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Eduard Oswald hat sich dafür ausgesprochen, zur Pendlerpauschale eine politische Entscheidung zu treffen und nicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu warten. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ sagte der CSU-Politiker, man müsse den Menschen, die unter der Last der Energiepreise stöhnten, wieder etwas zurückgeben. Mit Wirkung vom 1. Januar 2007 war die steuerliche Entlastung für Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz stark eingeschränkt worden. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet noch in diesem Jahr, ob die damalige Kürzung der Pauschale verfassungsgemäß war.
Zur Kritik an ausländischen Steueroasen sagte Oswald, man brauche in dieser Frage gesamteuropäische Lösungen. Die Deutschen könnten sich nicht übernehmen, indem sie glauben, alle Probleme lösen zu können. Wenn in der globalisierten, freien Welt heute eine Steueroase schließe, öffne gleich die nächste.
Zur anstehenden Erbschaftsteuerreform sagte der ehemalige Bundesbauminister, die Große Koalition werde Anfang Oktober einen Vorschlag machen. Der vorliegende Regierungsentwurf finde nicht die Mehrheit im Parlament und auch nicht in der Großen Koalition, er werde „sicher so nicht kommen“. Wenn die Positionen der CSU von der Großen Koalition übernommen würden, könne im Oktober im Bundestag und im November im Bundesrat über die künftige Erbschaftsbesteuerung entschieden werden. Im Übrigen sprach sich Oswald für eine Öffnungsklausel aus, die den Ländern auch die Möglichkeit eröffnen würde, auf die Erhebung der Erbschaftsteuer ganz zu verzichten.
Interview im Wortlaut:
Herr Oswald, vor zwei Jahren wurde die Kürzung der Pendlerpauschale beschlossen. Kommt jetzt eine Rolle rückwärts?
Genau das fragt sich der Bürger: Zuerst habt ihr es uns genommen, jetzt wollt ihr es uns wieder geben? Die Ausgangslage war damals eine derart hohe Neuverschuldung, dass wir von der Europäischen Kommission wegen der Schuldenmacherei mit einem Defizitverfahren überzogen waren und alles tun mussten, um den gesamtstaatlichen Haushalt wieder ins Lot zu bringen. Ich habe einen großen Wahlkreis und darunter gelitten, dass wir den Menschen, die täglich zur Arbeit fahren, etwas wegnehmen müssen. Es war ein Konsolidierungsbeitrag von zweieinhalb Milliarden Euro.
Warum der Meinungsumschwung?
Heute haben wir eine völlig veränderte Situation. Ein Blick an die Tankstelle genügt, die Menschen stöhnen unter der Last der Energiepreise, und wir müssen ihnen wieder etwas zurückgeben. Es ist etwas anderes, ob ich zum Golfspielen oder zur Arbeit fahre, und deswegen geht es mir um die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale. In der Koalition ist das natürlich noch kräftig umstritten. Aber es wäre eine einfache Form, die Menschen zu entlasten. Wir sollten eine politische Entscheidung treffen und nicht warten, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
Steuerliche Entlastung, Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, Haushaltskonsolidierung – was hat für Sie Priorität?
Die Haushaltskonsolidierung bis 2011 hat ganz hohe Priorität, denn wir leben heute auf Kosten der nächsten Generation und nehmen immer noch Schulden auf und zahlen Zinsen. Den Haushalt zu sanieren ist das eine, aber gleichzeitig muss Deutschland mit Reformen für die Zukunft fit gemacht werden. Ich möchte, dass junge Menschen nicht als Gastarbeiter ins Ausland gehen müssen, sondern dass sie einen Arbeitsplatz in Deutschland haben, dass die Unternehmen hier sind. Es soll nicht so gespart werden, dass keine Mittel für Investitionen mehr da sind. Die Sozialversicherungsbeiträge zu senken, halte ich für richtig. Das entlastet den Einzelnen, aber auch den Betrieb. Das ist auch für unsere Volkswirtschaft im internationalen Wettbewerb wichtig. Das Ziel der Steuersenkung ist, den Menschen mehr Netto vom Brutto zu lassen. Wir müssen die Mehreinnahmen, die wir haben, für die Konsolidierung verwenden, aber auch dem Bürger etwas zurückgeben, damit er teilhaben kann. Die beste Steuer ist eine, die man nicht erheben muss, weil sie beim Bürger verbleibt.
Steuersenkungen wären leichter möglich, wenn alle ihre Steuern bezahlen würden.
Wer sagt, ich will Steuern nicht zahlen, kann die legitimen Möglichkeiten der Steuerersparnis nutzen, obwohl wir auch hier Einschränkungen vorgenommen haben. Manche Fonds, die es zum Steuersparen gab, gibt es nicht mehr, da haben wir Schlupflöcher geschlossen. Aber bewusst sein Geld an den Gesetzen vorbei aus Deutschland hinauszutragen und sich nicht an der Solidarität der Gemeinschaft zu beteiligen, muss geächtet werden.
Sollte die Bundesrepublik gegen ausländische Steueroasen, die nicht kooperieren wollen, vorgehen?
Bevor wir jetzt andere Länder kritisieren, weil es Steueroasen gibt, müssen wir fragen, wie das Geld dort hingekommen ist. Was läuft bei uns falsch, dass Menschen ihr Geld woanders hintragen? Denn wenn in einer globalisierten, freien Welt heute die eine Steueroase schließt, öffnet gleich die nächste. Wir brauchen in dieser Frage gesamteuropäische Lösungen, wir können uns als Deutsche nicht übernehmen, indem wir meinen, wir könnten alle Probleme lösen.
Finanzminister Peer Steinbrück hält nicht viel von Steuervereinfachungsmodellen, wie sie Professor Paul Kirchhof vorgeschlagen hat. Stimmen Sie ihm zu?
Die Menschen, und auch ich, wollen ein einfaches Steuersystem, das gerecht ist. Sobald man sich aber mit Einzelheiten beschäftigt, sieht man, dass alles kompliziert ist. Die Kompliziertheit unserer gesamten Gesellschaft und Wirtschaftsordnung spiegelt sich im Steuerrecht wider. Wir leben nicht in einer einfachen Welt, aber die Sehnsucht der Menschen ist, dass alles einfach wird. Darum sage ich: Das Ziel muss man im Auge behalten. Wir wollten ja mit der Abgeltungsteuer etwas einfacher machen, und trotzdem sind sofort alle möglichen Einwände gekommen. Die Leute, die uns täglich sagen, wir müssten Subventionen abschaffen, sagen auch: Aber doch nicht meine.
Die Erbschaftsteuerreform ist schon ein paar Monate in der parlamentarischen Beratung. Warum geht es nicht weiter?
Die Erbschaftsteuer ist eine der kompliziertesten Steuern überhaupt, eines der schwierigsten Felder der Großen Koalition. Kaum eine Steuer ist so emotionalisiert. Da gibt es einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Grundstücke und Geldvermögen gleich zu bewerten, aber auch das Vorhaben, die Betriebe in die nächste Generation gehen lassen, ohne dass wir ihre Existenz gefährden. Für mich ist das Grundrecht, Eigentum zu bilden, zu vererben, ein ganz wesentlicher Teil unserer freiheitlichen Gesellschaft und Vermögensbildung. Etwas zu vererben auf Kinder und Verwandte, das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ist eine Einigung in Sicht?
Wir werden in der Koalition Anfang Oktober in der Lage sein, einen Vorschlag zu machen. Es gibt den Regierungsentwurf, der aber nicht die Mehrheit im Parlament findet, auch nicht in der Großen Koalition, obwohl dort führende Vertreter der Union die Grundlagen gelegt haben. Der Regierungsvorschlag wird sicher so nicht kommen. Wir müssen hier ein Bundesgesetz machen, die Erträge gehen aber an die Länder. Wir Bundesparlamentarier werden kritisiert, und die Länder bekommen die Einnahmen. Wir machen keine Erbschaftsteuer für die Ewigkeit, denn wir können uns nicht von der internationalen Entwicklung abkoppeln. Um uns herum schaffen immer mehr Länder die Erbschaftsteuer ab. Steuergerechtigkeit und Leistungsfähigkeitsprinzip sind vom ganzen Steuersystem zu gewährleisten und nicht von einzelnen Steuerarten. Wenn die Positionen, die gerade von meiner Partei gekommen sind und die ich mittrage, von der Großen Koalition übernommen werden, können wir im Oktober im Bundestag und im November im Bundesrat zur Entscheidung kommen.
Die FDP sagt: Gebt den Ländern auch die Gesetzgebungskompetenz.
Ja, auch ich bin für eine Öffnungsklausel, nach der die Länder dann sagen können, wir machen das so oder so oder wir verzichten ganz auf die Erbschaftsteuer. Grundstücke im Süden Bayerns sind zum Beispiel anders zu bewerten als in Brandenburg.
Ein Jahr Finanzkrise: War es richtig, die angeschlagene Mittelstandsbank IKB auch mit Steuermitteln zu retten?
Hier hat die Bundesregierung richtig gehandelt. Hier gab es keine Alternative. Weil die Alternativen im Ergebnis um vieles schlechter gewesen wären und eine Lawine ins Rollen gebracht hätten.
Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Arbeit des Finanzausschusses?
Im Finanzausschuss wird etwas deutlich, was viele Menschen draußen nicht wissen. Jeder Paragraf, jede filigrane Einzelheit wird im Finanzausschuss besprochen, und die Abgeordneten leisten eine ungeheure Detailarbeit. Der Parlamentarier ist ein Generalist. Sobald er aber im Ausschuss ist, ist er ein Spezialist. Und ihm gegenüber steht die geballte Macht der deutschen Ministerialbürokratie, die, ich sag’s mal humorvoll, für jeden Paragrafen einen Beamten hat. Die Assistenz, die der einzelne Abgeordnete hat, wiegt diese Dominanz in keinem Fall auf. Gesetze werden draußen schon auf dem Markt diskutiert, wenn die Parlamentarier sie offiziell erst zugeleitet bekommen. Das sind Probleme im System, die ich beschreiben muss, damit die Öffentlichkeit das weiß. In kaum einem Bereich wird das so sichtbar wie in der Finanzwelt.
Das Interview führte Volker Müller