Polenz erlebt, dass ihm als Vorsitzender dieses wichtigen Gremiums ganz besondere Türen offen stehen, um sich zu informieren und Einfluss zu nehmen. Das spüre er besonders bei seinen Auslandsreisen. Treffen mit Außenministern, den entsprechenden Ausschussvorsitzenden und in der Regel auch den Parlamentspräsidenten sind für ihn schon fast etwas Normales. Ein Blick in seinen parlamentarischen Wochenplan macht deutlich: als Außenpolitiker muss er jeden Tag an vielen Schauplätzen auf dem Globus unterwegs sein, zumindest in Gedanken.
Aber darin liegt wohl auch der Reiz. Außenpolitik ist heute mehr denn je auch Krisenpräventionspolitik. Das führt dazu, dass es bei den Parlamentariern der unterschiedlichen Fraktionen auch eine größere Schnittmenge gemeinsamer Überzeugungen gibt. „Das ist auch gut so, weil natürlich von außen wahrgenommen wird, ob Deutschland eine bestimmte Position innenpolitisch breit abgesichert einnimmt, oder ob es Positionen sind, die innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich gesehen werden. Insofern ist es auch ein hohes Gut, diesen außenpolitischen Konsens immer wieder zu suchen, möglichst auch auf dem Weg des einen oder anderen Kompromisses.“ Polenz ist ein ernster, ein stark auf die Sache konzentrierter Politiker – wohl die richtige Einstellung für hochsensible Themen. Gerade in der Außenpolitik und in krisenhaften Situationen kann ein falsches Wort ungeahnte Konflikte heraufbeschwören. Aber die Kraft des Wortes kann auch positive Signale geben, auch darauf setzt der Parlamentarier. Ein Beispiel: Als jetzt Orhan Pamuk den Literaturnobelpreis erhielt, erklärte Polenz, dass die Auszeichnung einem Autor gelte, der wie wenige andere Brücken des Verständnisses zwischen den Kulturen baue. Er gratulierte der Türkei zu ihrem großen Schriftsteller und ergänzte: „Es ist zu hoffen, dass die Verleihung des Literaturnobelpreises an Orhan Pamuk auch die Kreise in der Türkei zum Nachdenken bringt, die ihn bisher wegen angeblicher ‚Herabwürdigung des Türkentums' angefeindet und auch bedroht haben.“
Da Polenz eher introvertiert ist, fällt es nicht ganz leicht, ihn einzuschätzen. Aber Eigenschaften wie seriös, besonnen, menschlich angenehm, ein bisschen trocken – eben typisch westfälisch – dürfte den Typus Polenz ganz gut treffen.
Insbesondere mit der Türkei und dem Iran beschäftigt er sich schon seit Jahren intensiv. Seine jüngste Iranreise liegt erst wenige Monate zurück. Bei solchen Besuchen legt Polenz großen Wert darauf, viele Vertreter der Gesellschaft zu treffen und nicht nur wie bei offiziellen Terminen das politisch zugelassene Spektrum Irans. Begegnungen mit solchen Persönlichkeiten, die das iranische Parlamentsprotokoll nicht so einfach auf die Liste setzen würde, sind dann in der Residenz des Botschafters möglich. So traf Polenz Resa Chatami, den Bruder des früheren iranischen Präsidenten , der Vorsitzender der größten Oppositionspartei und stellvertretender Parlamentspräsident ist, und den früheren Parlamentspräsidenten Mehdi Karubi, der auch für das Präsidentenamt kandidierte. „Man kann sich so ein etwas breiteres Bild verschaffen. Aber das ist in Ländern wie Iran nie ein vollständiges, weil eben doch breite Teile der Gesellschaft nicht ohne weiteres am politischen Prozess teilnehmen können.“
Polenz ist fest im Katholizismus verwurzelt. Er tritt anderen Kulturen mit großer Offenheit gegenüber und steht auch für unkonventionelles Denken. So sprach er sich in der Vergangenheit für die Einführung des Islamunterrichts an deutschen Schulen aus und unterstützt die Forderung der Türkei, Mitglied der EU zu werden. Und auch sein Selbstverständnis als Außenpolitiker fußt mit auf seinem liberalen Gedankengut: „Was man für die Außenpolitik braucht, ist ein wirkliches Interesse an den Partnern, mit denen man es zu tun hat. Das schließt deren Geschichte und Kultur ein, weil man nur dann deren Interessen versteht. Und nur wenn das der Fall ist, kann man Lösungsvorschläge machen, die auf das Hinauslaufen, was wir neudeutsch so schön ‚Win-Win-Situation' nennen, um dann eben auch das Verhalten dieser Länder zu beeinflussen. Also, wer sich nicht in dieser Weise auf anderes einlassen kann, der sollte sich nicht mit Außenpolitik beschäftigen.“