Bei der Vorausschau auf die deutsche Ratspräsidentschaft geben sich die deutschen Minister verhalten. Spricht man mit Mitgliedern des Kabinetts, lautet der Appell stets gleich: Die Öffentlichkeit und die anderen EU-Länder mögen ihre Erwartungen doch bitte nicht zu hoch schrauben. Wunder seien vom deutschen Vorsitz nicht zu erwarten - weder in der Verfassungsfrage, noch bei einer abgestimmten gemeinschaftlichen Energiepolitik, im Verhältnis zu Russland oder der festgefahrenen Zypernfrage.
Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) möchte allerdings den finnischen Kompromissvorschlag, der vor einer Woche gescheitert war, wieder aufgreifen. Nachdem man so kurz vor dem Ziel gewesen sei, müsse man nun einen weiteren Versuch unternehmen, die türkische und die zypriotische Position einander näher zu bringen. Als weiteres großes Thema sieht der Minister den Kosovo auf der Tagesordnung. Nach letztem Stand sollen am 22. Januar Wahlen in Serbien stattfinden. Danach wird der finnische Sonderbeauftragte Atthisari seinen Bericht vorlegen. Auf dieser Grundlage soll über den künftigen Status der Region, die sich von Serbien abtrennen möchte, entschieden werden.
Der Wirtschaftsgipfel, der jedes Frühjahr stattfindet, soll sich vor allem mit Energiefragen befassen. Schon im Januar wird die EU-Kommission dazu ein ganzes Paket mit Vorschlägen vorlegen. Wirtschaftsminister Glos (CDU) will ausloten, wie die europäische Energiepolitik besser abgestimmt und die nationalen Netze durchlässiger für andere Bewerber werden können. Er denkt dabei nicht an den von der EU-Kommission geforder-ten EU-Energieregulator sondern möchte die nationalen Regulatoren enger vernetzen. Auch das Abkommen mit Russland soll vorangebracht werden, ohne dass bislang klar wäre, wie Polens Blockade durchbro-chen werden könnte.
Steinmeier setzt dabei auf kleine Schritte. So möchte er das deutsch-polnische Verhältnis nach deutsch-französischem Vorbild verbessern, zum Beispiel indem Historiker beider Länder ein gemeinsames Geschichtsbuch entwickeln, das später Grundlage für den Schulunterricht werden könnte.
Klar ist, dass der Verfassungsprozess erst nach dem Frühjahrsgipfel und der Feier zum fünfzigsten Jahrestag der Römischen Verträge am 24. und 25. März fortgeführt werden kann. Bei dem Fest soll eine Erklärung vorgelegt werden, die deutliche Aussagen zur sozialen Verantwortung Europas treffen soll. Völlig offen aber ist, ob diese Erklärung auch Bestandteil des revidierten Verfassungsvertrages werden könnte.
Angesichts der Wahlkampfstimmung in Frankreich verhält sich die Bundesregierung abwartend. Doch Deutschland würde es ungern sehen, wenn der Verfassungsstreit in den französischen Präsidentschaftswahlkampf hineingezogen würde. Doch die größten Schwierigkeiten seien nicht von Frankreich und den Niederlanden zu erwarten, heißt es. In Polen und Großbritannien habe die Debatte noch nicht einmal richtig begonnen.
Angesichts der schwierigen Tagesordnung setzt Deutschland große Hoffnung auf das "Triopräsidentschaftsprogramm". Es umfasst den Arbeitsplan für die nächsten 18 Monate und wurde gemeinsam mit der portugiesischen und der slowenischen Regierung erarbeitet, die im 2. Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 den Vorsitz der EU führen werden.
Auch der Bundestag versucht, einen Ansatz aus der Verfassung umzusetzen. Dabei sollen die nationalen Parlamente auf die Rechtssetzung aus Brüssel bereits in der Planungsphase Einfluss nehmen können, bevor die Kommission Rat und Europaparlament ihre Entwürfe vorlegt. Der Bundestag und die Bundesregierung hatten im September 2006 eine Vereinbarung getroffen, die vorsieht, dass die Bundesregierung den Bundestag frühzeitig über alle Vorhaben der EU-Kommission unterrichtet. Für den Bundesrat ist dies bereits seit dem Maastricht-Vertrag von 1992 der Fall. Die Bundestagsverwaltung wird im Februar ein Europareferat aus Fachleuten und Mitarbeitern der Fraktionen eröffnen. Eine Kopfstelle aus drei Mitarbeitern soll vor Ort in Brüssel Informationen sammeln und den Kontakt zu den Büros der anderen Nationalparlamente halten. Die übrigen 15 Mitarbeiter haben ihren Dienstort in Berlin.