In Bonn wurde mit Rotkäppchensekt angestoßen. Egon Bahr (SPD), Staatssekretär unter der Regierung Brandt, und Michael Kohl, Staatssekretär für westdeutsche Fragen in der DDR, waren zufrieden mit dem Ergebnis langer Verhandlungen in Ost-Berlin. Ständige Repressionen, Willkür und Zeitverzögerungen auf dem Weg von und nach West-Berlin sollten mit dem ersten gemeinsamen Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten - dem Transitabkommen vom 17. Dezember 1971 - ein Ende finden.
Die Grundlage für das "Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West)" war das kurz zuvor zwischen den Alliierten beschlossene Viermächteabkommen vom 3. September 1971. Dabei war über die Präsenz von Bundesbehörden im Westteil der Stadt und über den ungehinderten Aufenthalt der Alliierten in allen Teilen der Stadt verhandelt worden. Nur unter erheblichem Druck konnten der Sowjetunion Zugeständnisse abgerungen werden. Erstmals wurde von den Sowjets die Sicherung der Wege nach West-Berlin eingeräumt. Nähere Einzelheiten sollten die beiden Staaten in einem weiteren Vertrag, dem Transitabkommen, direkt aushandeln.
In dieser Zeit begann Egon Bahr seine Gespräche mit Michael Kohl über die Verbesserungen der Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands. "Er war mir gänzlich unsympathisch: grob, stur, eng, linkisch, komplexbeladen und humorlos", beschrieb ihn Egon Bahr. Es war ein erster Versuch, deutsche Verkrampfungen zu lösen.
Bisher hatten die vier Siegermächte über Deutschland bestimmt. Doch jetzt konnte der Krisenherd im Zentrum Europas nur unter der Beteiligung beider deutscher Regierungen entlastet werden. Das Gewicht sei 1971 erstmals mit "Vier plus Zwei" zu beschreiben gewesen, befand Egon Bahr. Die Umkehrung in "Zwei plus Vier" 1990 setzte somit den Weg fort.
Bahr konnte nun seine bereits 1963 geäußerte Formel des "Wandels durch Annäherung" in die Tat umsetzen. Das Transitabkommen ermöglichte, abgesehen von den Grenzkontrollen, ein Reisen zwischen West-Berlin und Westdeutschland ohne Störungen. Zukünftig sollten die Visa direkt an den Grenzkontrollstellen der DDR oder während der Zugfahrt ausgestellt werden. Der Personen- und Güterverkehr sollte künftig ohne Behinderungen und in der "einfachsten, schnellsten und günstigsten Weise" abgewickelt werden soll. Die bisher üblichen Durchsuchungen und Schikanen der DDR-Grenzbeamten sollten aufhören. Es wurden so genannte Transitkorridore auf den wichtigsten Strecken zwischen Berlin und der BRD eingerichtet. Die Transitkosten musste nun nicht mehr jeder Reisende selbst bezahlen. Stattdessen bezahlte die Bundesregierung eine Pauschale und beteiligte sich zusätzlich an Verkehrsprojekten der DDR auf den ausgewiesenen Transitstrecken, zum Beispiel am Bau der Autobahn von Berlin nach Hamburg. Insgesamt flossen so auf Basis des Transitabkommens bis 1990 über zwei Milliarden D-Mark von West nach Ost. Die Vorschriften und Verfahrensweisen im Falle eines Missbrauchs waren sehr ausführlich, weil hier aus Sicht der DDR die größte Gefahr bestand, die Transitstrecken für Fluchtversuche zu missbrauchen. Dennoch waren sie präzise und eingeschränkt und sollten so vor Willkür schützen.
Dieses erste bilaterale Abkommen erwies sich als Basis für weitere Gespräche. "Ohne dieses wertvolle Ergebnis der Tage und Nächte für den Transit wäre der Grundlagenvertrag nicht so schnell erreichbar gewesen", erklärte Egon Bahr die Folgen der Einigung.
Das nur drei Tage später unterzeichnete Abkommen zwischen dem Senat von West-Berlin und der DDR verbesserte die Reise- und Besuchsmöglichkeiten für West-Berliner. Sie durften sich nun pro Jahr insgesamt 30 Tage im Ostteil der Stadt oder in der DDR aufhalten, ohne dies zu begründen. Auch zusätzliche Reisen aus dringenden humanitären und familiären Gründen waren fortan möglich.
Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte eine Rechtsgrundlage für den zivilen Verkehr von und nach West-Berlin geschaffen werden. "Das Transitabkommen befreite Berlin aus jahrzehntelanger Krisen- und Druckanfälligkeit", rechtfertigte Bahr das Abkommen. West-Berlin rückte näher an die Bundesrepublik. Das Abkommen bestand alle Bewährungsproben und erfüllte bis zum Ende der Teilung seinen Zweck.