Darfur-Debatte
Das Parlament fordert sofortige Sanktionen der EU gegen Khartum
Das Datum mag ein Zufall gewesen sein, dennoch hat es eine gewisse symbolische Wirkung. Just zum Ende der Aktionswoche des Jüdischen Museums in Berlin zum Thema "Darfur: Verbrechen gegen die Menschlichkeit" unter der Schirmherrschaft des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan hat der Bundestag die humanitäre Katastrophe in der westsudanesischen Provinz auf die Tagesordnung gesetzt. Die Debatte am 22. März war mit 30 Minuten kurz, aber sie ließ keinen Raum für Zweifel an der Entschlossenheit des Bundestages, gegen die anhaltende Gewalt im Sudan vorzugehen. So forderten alle Fraktionen in eindringlichen Reden die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf, mehr Druck auf die sudanesiche Regierung auszuüben und sofortige wirksame Sanktionen gegen das Regime in Khartum zu starten. Deutschland solle dabei als EU-Rats- und G8-Präsidentschaft alle Register ziehen.
Anlass für die Debatte war die Anwort der Bundesregierung ( 16/4616 ) auf eine Große Anfrage der Grünen ( 16/3526 ). Darin sind noch einmal die bekannten Fakten zu lesen. Die Darfur-Krise, von den Vereinten Nationen als "eine der größten gegenwärtigen humanitären Katas-trophen" bezeichnet, forderte nach Regierungsangaben bereits "mindestens" 200.000 Opfer (die Grünen nennen in ihrer Anfrage 300.000 Tote), rund zwei Millionen Menschen seien innerhalb Darfurs auf der Flucht, mehr als 200.000 weitere Sudanesen hätten Zuflucht im benachbarten Tschad gesucht. Vier Millionen Menschen seien auf Hilfe von außen angewiesen, da-runter Teile der ebenfalls von humanitärer Hilfe abhängigen ortsansässigen Bevölkerung, so die Regierug unter Berufung auf UN-Angaben. Die internationale Darfur-Hilfe der vergangenen drei Jahre bezeichnet die Regierung als "die derzeit größte humanitäre Operation weltweit". Der deutsche Anteil an dieser Hilfe betrug laut Antwort allein 2006 mehr als 16,4 Millionen Euro für die Menschen in Darfur selbst und die Flüchtlinge im Tschad.
"Das oberste Ziel der Bemühungen" auf politischer Ebene sei ein Waffenstillstand und der effektive Schutz der Zivilbevölkerung. Beides sei primär die Aufgabe der Afrikanischen Union (AU) und ihrer Friedensmission AMIS. Da sich die sudanesische Regierung "vehement" weigere, der UN-Resolution 1706 zur Umwandlung der der AMIS-Mission in eine UN-Mission zuzustimmen, werde von der AU und der UN eine gemeinsame Friedensmission angestrebt, heißt es in der Anwort weiter.
Die Weigerung Sudans, die UN-Beschlüsse zu akzeptieren, dürfe nicht länger in Europa dazu dienen, "wortreich die eigene Ohnmacht zu beklagen", so die außenpolitischen Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller. Die Bundesregierung verstecke sich bei der Frage der EU-Sanktionen hinter der Festlegung, UN-Sanktionen seien effektiver, kritisierte Müller. In der Praxis bedeute dies Untätigkeit. Müller forderte daher "sofortige, gezielte" Sanktionen der EU. Deutschland müsse die doppelte Präsidentschaft nutzen, um "Russland, China und den Staaten der Arabischen Liga klarzumachen, dass es auch in ihrem Interesse ist", wenn der Sudan der Friedensmission zustimmt. Diese Staaten "stehen in der Pflicht", ihrer Verantwortung nachzukommen, so auch Gert Weisskirchen (SPD).
"Wenn China, Russland und die arabischen Länder nicht erkennen, was in Darfur passiert, ist die UN am Ende", meinte dazu der Afrika-Experte der Union, Hartwig Fischer. "Da drei Jahre Diplomatie die Regierung Baschir nicht zum Einlenken bewogen haben, brauchen wir einen Blauhelmeinsatz", wenn nicht bald diplomatische Erfolge sichtbar würden. Das Sterben müsse ein Ende haben.
Die FDP-Politikerin Marina Schuster appellierte an die Bundeskanzlerin, als EU-Rats- und G8-Präsidentin Initiativen zu ergreifen, damit "das Prinzip Baschir" keine Schule mache.
Kontroverse in die sonst einmütige Debatte brachte Norman Paech (Die Linke) mit seiner Kritik an der Formulierung "weltweit größte humanitäre Katastrophe" in einem Entschließungsantrag der Grünen ( 16/4777 ) hinein. Die Situation im Irak sei "mindestens ebenso katastrophal" wie in Darfur.