Die Niederlage 1998 war absehbar. Die damalige Regierungskoalition aus Union und Liberalen hatte seit längerer Zeit nicht mehr die Kraft, dringende Reformen auf den Weg zu bringen." Werner Hoyer, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, sagt das ganz nüchtern. Das Ende der Ära Helmut Kohl war damals besiegelt. Die FDP fand sich auf den harten Bänken der Opposition wieder. Bis dahin hatten die Liberalen nur sieben Jahre die Bundesrepublik Deutschland nicht mitregiert. Seit 1998 sind sie nun schon mehr als acht Jahre von den Schalthebeln der Macht ferngehalten. "Opposition muss man auch können", findet Hoyer. Schließlich gehört es in einer Demokratie dazu, zum Handeln der Regierung Alternativen zu bieten. Aber: Parteien seien dafür da, einen Führungsanspruch zu haben. Es sei insofern natürlich, wenn sie Regierungsansprüche hätten. Politik zu machen als l`art pour l`art - das macht er deutlich, will er nicht.
Der 55-Jährige bezeichnet sich selbst als "in der Wolle gewirkten Ökonomen". 1974 hatte er sein Studium als Diplom-Volkswirt abgeschlossen, wurde promoviert und war dann mehr als zwölf Jahre in diesem Umfeld tätig. Der heutige Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle eroberte 1983 den Vorsitz der Jungen Liberalen und Hoyer, bereits seit 1972 FDP-Mitglied, wurde mit ihm in den Bundesvorstand gewählt. Zu diesem Zeitpunkt war er mehr als zehn Jahre älter - und viele Delegierte sahen in ihm so etwas wie einen ausgleichenden Faktor zum neuen Vorsitzenden. 1987 - vor genau 20 Jahren - wurde Hoyer in den Bundestag gewählt. Er war damals 35 Jahre jung, und jede Menge prominenter Politiker - allen voran Otto Graf Lambsdorff - tummelten sich bereits in der Wirtschafts- oder Finanzpolitik. Insofern zerplatzte Hoyers Traum, ebenfalls dort mitmischen zu können, wie eine Seifenblase. Er sicherte sich mit der Verteidigungspolitik ein völlig anderes Profilierungsfeld. Dies hätte im Fiasko enden können. Hätte. Aber zwei Dinge sprachen dagegen. Erstens Uwe Ronneburger. Der Schleswig-Holsteiner, erinnert sich Hoyer, war ein "großartiger Politiker" und nahm den vergleichsweise jungen Kölner an die Hand, erwies sich als "Mentor". Zweitens war es Hoyers Ehrgeiz, sich nicht unterkriegen zu lassen. Er sah die Verteidigungspolitik als Marktlücke und "kniete sich voll rein", wie er im Rückblick sagt. Seitdem sind Hoyer die Bundeswehr und die Bedürfnisse ihrer Soldaten ans Herz gewachsen. Das galt erst recht, als die deutsche Regierung beschloss, Soldaten im Rahmen von UN-Missionen in Länder zu schicken, die jenseits des Nato-Gebiets lagen. Das war eine Art Quantensprung. Und der Schutz der Soldaten ist heute genau so wichtig wie damals, findet Hoyer. Deswegen plädierte er unter anderem dafür, Tornado-Flugzeuge nach Afghanistan zu schi-cken - nicht nur, um sich als bündnisfähig zu erweisen. Sondern auch, um neben der afghanischen Bevölkerung und den ausländischen Entwicklungshelfern die Soldaten zu schützen. Hoyers zweite Leidenschaft ist Europa. Er handelte als zuständiger Staatsminister in der Regierung Kohl/Kinkel 1997 den Vertrag von Amsterdam aus. "Ich war damals mehr in Brüssel als in Bonn", erinnert sich Hoyer. Obwohl er mit dem Regierungswechsel seine Funktion verlor, hat ihn Europa nicht losgelassen. Er war sieben Jahre Vorsitzender der ELDR, einem Bündnis der liberalen Parteien Europas. Der verheiratete Vater zweier Kinder, der gern klassische Musik hört, hat seinerzeit für Bonn als Regierungssitz gekämpft. Es wurde Berlin. Aber Hoyer ist pragmatisch. Köln sei und bleibe seine Heimat, aber er nahm sich eine kleine Wohnung an der Spree. Der in Deutschland verbreitete Hang zur Nabelschau, zur Binnensicht und zur Kuschelecke sei sowieso nicht seine Sache. Deutsche und Europäer müssten begreifen lernen, dass sie in der technologischen Entwicklung zum ersten Mal seit 500 Jahren nicht mehr im Mittelpunkt stehen, stellt er fest. Das Umdenken erfordere ein gewisses Maß an Flexibilität. Schonungslos, aber ohne jede Schärfe analysiert Hoyer die Lage. Den parteipolitischen Gegner zu verletzen, ist seine Sache nicht. Ebenso wenig, rhetorische Raketen in den Himmel zu schießen, die dann wirkungslos verpuffen.