249 Stimmen hätte die CDU/CSU zum Sieg gebraucht. 247 wurden es. Das Schlimmste: Es waren zwei Stimmen aus den eigenen Reihen, die zum Scheitern führten, obwohl die Union rechnerisch dank des Wechsels von drei FDP-Abgeordneten und einem SPD-Mitglied in die christdemokratischen Reihen die absolute Mehrheit hatte. Doch es half nichts: Der konstruktive Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) wurde am 27. April 1972 im Bundestag abgelehnt.
Neben einer verfehlten Wirtschaftspolitik warf die CDU/CSU der Regierung vor allem eine schlechte Außenpolitik vor. Brandt hatte die Entspannungspolitik mit den Staaten der Sowjetunion und der DDR vorangetrieben. Dazu gehörten Verträge mit der Sowjetunion und Polen. Kurt Georg Kiesinger (CDU) warf Brandt vor, sich den Frieden durch eine Akzeptanz der DDR erkauft zu haben. "Sie haben sich auf Verträge eingelassen, die nach der entscheidenden Auffassung ihres mächtigen Vertragspartners genau diese Anerkennung zum Inhalt haben", sagte Kiesinger. Brandt betonte, seine Regierung habe Deutschland Frieden gebracht.
Er überstand das Misstrauensvotum. Neuwahlen gab es dann trotzdem im November 1972, denn aufgrund der Pattsituation blockierten sich Regierung und Opposition. Die SPD wurde danach erstmals stärkste Kraft. Bundeskanzler Brandt aber trat knapp zwei Jahre später wegen Günter Guillaume, seinem als Stasi-Spitzel enttarnten Referenten, zurück.
Die Stasi hatte auch beim Misstrauensvotum die Finger im Spiel. Inzwischen weiß man, dass zwei CDU-Abgeordnete bestochen worden waren, dem Antrag nicht zuzustimmen.