DaRfur
Im Südsudan herrschen Mord, Vertreibung und Hunger - 2,5 Millionen Flüchtlinge und 300.000 Tote sind die Bilanz
Darfur ist eine schwelende Wunde im Körper der internationalen Gemeinschaft. Eine Wunde, die immer größer wird, weil sich niemand zuständig fühlt, um dem Morden, den Vertreibungen und Vergewaltigungen in der sudanesischen Provinz endlich ein Ende zu bereiten. Bilder und Berichte finden immer seltener den Weg in die Medien. Nach vorsichtigen Schätzungen sind in den vergangenen drei Jahren in Darfur 300.000 Menschen verhungert oder getötet worden. Über 2,5 Millionen wurden zu Flüchtlingen. Von den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart sprechen die Vereinten Nationen, Genozid nennen es internationale Menschenrechtsorganisationen.
Von der Europäischen Union über die Afrikanische Union und die UN bis zu den USA - viele Akteure haben halbherzig Lösungsansätze angeboten, Resolutionen ohne nachhaltige Wirkung verabschiedet und mehr oder minder starken diplomatischen Druck ausgeübt. Doch die Erfolge bleiben aus, muss auch einer bekanntesten westlichen Kenner Ostafrikas, Gérard Prunier, in seinem Buch "Darfur - der uneindeutige Genozid" einräumen.
Wem die politischen Krisenherde dieser Welt am Herzen liegen, der sollte dieses Buch gelesen haben, den es bringt Ordnung in Geschichte, in das komplexe ethnische Mosaik der Bevölkerung von Darfur, in das Gefüge aus "arabischen" und afrikanischen" Stämmen. Ein Gefüge, das immer wieder Anlass zu Missverständnissen gibt, wenn im Westen recht oberflächlich über die Ursachen der nicht enden wollenden Gewalt diskutiert wird.
Dass inzwischen der Internationale Straf-gerichtshof in Den Haag Namen von Be-schuldigten im Umfeld des sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Baschir nennt, gibt den Vorgängen in der immer wieder von Hungersnöten geplagten Krisenregion eine neue Dimension. Eine Entwicklung, die der Historiker Prunier nicht mehr hat einfangen können. Auch, dass sich die Vertreter der Organisation Islamischer Länder (OIC) wie eine Brandmauer um die Regierung in Khartum stellen und bisher erfolgreich eine Verurteilung des Sudans hintertrieben haben, konnte keinen Eingang mehr in die wertvolle Aufarbeitung des Direktors des Centre Francais d' Etudes Ethiopiennes in Addis Abeba finden.
Besonders rigoros sind die Aussagen Pruniers, wenn er die Rolle des Westens hinterfragt und mit ihm abrechnet. Dieser scheine fest entschlossen zu sein, sich vom Leiden und massenhaften Sterben in Darfur nicht um seinen narkosehaften Schlaf bringen zu lassen. Nicht einmal die Angst vor dem radikalen Islam sei mehr von Belang. Dass Muslime Muslime umbringen, sei kein Thema, das die Herzen bewege. Woran das liege? Die westliche Kultur habe wohl mit dem Ende des Kalten Krieges keine Revolution im Zeichen der Menschenrechte hervorgebracht, diagnostiziert der Autor. Wer möchte ihm widersprechen angesichts der Tatsache, dass die so genannte Weltgemeinschaft immer nur dann tätig wird, wenn wirtschaftliche oder geopolitische Interessen auf dem Spiel stehen.
Zu den Hintergründen, die Prunier erhellt, gehört die Absicht Khartums, einen Sperrgürtel um einen künftigen unabhängigen "afrikanischen" Südsudan zu legen. Der "uneindeutige" Genozid ziele nicht auf die totale physische Auslöschung, sondern auf die totale politische und territoriale Kontrolle über ein umkämpftes und mittlerweile strategisch wichtiges Grenzland. Und dies könnte der Regierung gelingen, wenn sie das Darfur-Friedenabkommen manipuliere, und wenn die internationale Gemeinschaft ihre vorsätzliche Blindheit beibehalte. Eine Gemeinschaft, die die Relevanz der Ereignisse in Darfur, aber auch in Somalia und in Simbabwe für die Zukunft des gesamten Kontinents sträflich unterschätzt.
Darfur. Der "uneindeutige" Genozid.
Hamburger Edition, Hamburg 2006; 275 S., 25 ¤