Restauratoren
Arbeiten mit ältester Technik
Kunststoffanstriche auf Fachwerkfeldern- und balken, gründliches Abschleifen von Alterungsspuren, gelbe Farbe statt Blattgold: Bei der Sanierung historischer Objekte können viele Fehler passieren. Der moderne Denkmalschutz verlangt Patina statt Hochglanz - und dafür sind die Beherrschung traditioneller Handwerkskunst und die Kenntnis über alte Materialien ebenso unerlässlich wie Informationen über historische Hintergründe und den aktuellen Forschungsstand.
"Routine gibt es bei uns nicht", sagt Restauratorin Barbara Naumburg. Die gelernte Tischlerin ist auf die Restaurierung von Möbeln spezialisiert und steht täglich vor neuen Herausforderungen. In welchem Zeitgeist ist das Stück entstanden? Wie sollte es ursprünglich wirken? Welches Holz, welcher Leim, welche Nägel wurden verwandt? Diese und ähnliche Fragen muss Naumburg beantworten, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnt. Die Restauratorin beherrscht nicht nur alte Furniertechniken, sondern kann zur Not zeitgenössische Wachse oder Politurharze nach alten Rezepten selbst herstellen. Entscheidend ist für sie, dass die Objekte nachher nicht "wie neu aussehen", Gebrauchsspuren sichtbar sind und das Handwerk hinter dem Objekt erkennbar bleibt.
Tischler, Schreiner, Maler, Zimmerleute, Schmiede und Steinmetze sind die klassischen Handwerker, die in der Denkmalpflege gefragt sind und Authentizität vor High-Tech-Sanierungen den Vorrang geben.
"Die alten Techniken werden dort tradiert, wo sie auch bei der Pflege und Erhaltung historischer Gebäude gebraucht werden", erklärt der Leiter der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda, Gerwin Stein. Dabei war viel altes Handwerkswissen - für Stein ein Kulturgut - nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten. So beschränkte sich in der Nachkriegszeit Denkmalschutz auf öffentliche Gebäude wie Schlösser, Rathäuser und Kirchen. Im Privatbereich hingegen waren Neubauten gefragt. Daran orientierte sich das Handwerk.
Erst in den 70er-Jahren vollzog sich ein Bewusstseinswandel hin zu einem Denkmalschutzverständnis, das Privatgebäude, Ensembles in Städten und Dörfern wie auch technische Denkmäler mit einbezog.
Architekten und Handwerker jedoch verfügten nicht mehr über das notwendige Know-how. "Viele Sanierungen schlugen fehl", so Stein. Um alte Fertigkeiten wieder in der Breite vermitteln zu können, wurde Mitte der 80er-Jahre schließlich das Berufsbild "Restaurator im Handwerk" geschaffen.
"Restaurator im Handwerk" ist ein Meisterabschluss, der sich an eine herkömmliche Handwerksausbildung anschließt und neben alten Techniken den Umgang mit wissenschaftlichen Konzepten, kunstgeschichtliche Kenntnisse und Instrumente zur Schadensdiagnose vermitteln soll. Rund 5.000 Meister gibt es nach Steins Angaben mittlerweile deutschlandweit. 14 Gewerke sind vertreten vom Buchbinder bis zum Vergolder. Im Vordergrund steht der Erhalt der Originalsubstanz.
Restauratoren im Handwerk sollen, so die Definition des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, nicht nur einen fachlichen, sondern auch einen emotionalen Zugang zu ihrer Arbeit haben. "Man muss die Technik einsetzen, welche die jeweilige Epoche vorgibt", betont Martin Merz, Steinmetzmeister aus dem hessischen Nidda.
So wurde die Steinoberfläche in der Romanik mit dem Beil bearbeitet, in der Gotik mit dem Schariereisen. Erst mit der Indus-trialisierung begann im 19. Jahrhundert das Schneiden von Steinen. Dass mit alten Techniken nicht alles so hundertprozentig gerade wird wie bei der maschinellen Produktion, gehört für Merz, der vieles von seinem Wissen als Leiter einer Bauhütte erworben hat, ebenso zum Handwerk wie die Suche nach technischen Kompromissen, die sowohl Sicherheitsfragen berücksichtigen als auch den speziellen Charakter eines Objekts.
Substanzerhaltung steht auch für Jürgen Jobmann im Vordergrund seiner Arbeit. Egal, ob bei Außenarbeiten oder Stucksanierungen, ob beim Verputzen oder Bemalen von Innenwänden: Der Malermeister ist sensibilisiert für bauphysikalische und gesundheitliche Folgen. Zwar haben die Techniken sich in seinem Beruf im Laufe der Geschichte nicht grundlegend geändert, wohl aber das Material. Kalk, Leim, und Schellackfarben oder Bierlasuren verwendet der Fachmann. Sie sind gesünder für das Haus und seine Bewohner als die modernen Farbmischungen der letzten 50 Jahre.
Fortbildung ist das A und O für Merz und Jobmann. Beide gehören zu den kleinen, spezialisierten Handwerksbetrieben, für die das so genannte Bauen im Bestand zu einer vielversprechenden Domäne geworden ist. Nach einer Studie der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda aus dem Jahr 2005 rechnet die Mehrzahl der befragten Betriebe mit einer weiteren Steigerung der Auftragszahlen bei Altbauten. 80 Prozent seines Umsatzes erzielt Merz schon jetzt in diesem Bereich. Bei Jobmann sind es knapp die Hälfte. "Um meine Zukunft", sagt der Malermeister, "mache ich mir keine Sorgen."