Herr Minister, welchen Stellenwert soll der Denkmalschutz als öffentliche Aufgabe Ihrer Ansicht nach einnehmen?
Die Erhaltung des baulichen und archäologischen Erbes ist eine Kulturaufgabe von hohem Rang. Denkmalschutz und Denkmalpflege garantieren einen unverwechselbaren Lebensraum und spielen eine entscheidende Rolle für Lebensqualität und Wohlstand der Menschen. Die Erhaltung von historischen Altbauten entspricht dem Wunsch der Bevölkerung, Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen und Maßstäbe für die Zukunft zu setzen.
Es besteht deutschlandweit, europaweit - und man kann seit der Ratifizierung der Unesco-Konvention wohl auch sagen weltweit - ein Konsens darüber, dass das bauliche Erbe zu pflegen und zu erhalten ist. In Deutschland fällt diese Verpflichtung als kulturelle Angelegenheit in die Zuständigkeit der Länder. Deshalb haben die Bundesländer, so beispielsweise auch Thüringen, die Kultur als Staatsziel in ihre Verfassung aufgenommen. Alle Bundesländer haben ein Denkmalschutzgesetz, das den Schutz der Kulturdenkmäler gewährleistet und dem Bürger das Anliegen und die Ziele des Denkmalschutzes vermittelt. Durch die Gewährung von Fördermitteln tragen viele Bundesländer dazu bei, die Denkmaleigentümer bei ihren Bemühungen zur Erhaltung ihrer Gebäude zu unterstützen.
Reichen die bestehenden Denkmalschutzgesetze auch aus, um dieser Verantwortung nachzukommen ?
Der Schutz unserer gebauten Geschichte ist bei den Ländern in guten Händen. Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer sichern und erhalten das kulturelle Erbe. Ich sehe deshalb grundsätzlich keinen Bedarf, voreilig Gesetzesänderungen vorzunehmen.
Das Nationalkomitee für Denkmalschutz fordert aber, die Belange des Denkmalschutzes stärker im Bundesrecht zu verankern. Warum?
Es gibt eine Fülle bundesrechtlicher Vorschriften, bei denen denkmalschutzrechtliche Belange berührt werden. Deshalb wurde schon im Jahre 1980 ein "Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht" beschlossen. Die Bundesrepublik Deutschland kann ihren in zahlreichen internationalen Abkommen eingegangenen Verpflichtungen nur nachkommen, wenn der Denkmalschutz entsprechend den in den letzten 25 Jahren gemachten Erfahrungen auch positiv im Recht des Bundes verankert wird. Hierbei hat es durchaus Rückschritte gegeben. Beispielsweise wurde die Berücksichtigung kultureller Belange im Rahmen der Raumordnungsverfahren gestrichen, so dass dabei nun ausschließlich die Aspekte Ökonomie, Soziales und Ökologie eine Bedeutung haben. Gleiches gilt für das Bundeswaldgesetz sowie das Wasserhaushaltsgesetz.
Welche Probleme ergeben sich aus dieser Tatsache?
Trotz der verheerenden Schäden an Unesco-Kulturgütern bei den Über-schwemmungen im Jahr 2002 war es nicht möglich, bei der Neufassung der Hochwasserschutzbestimmungen neben der Sorge um - so wörtlich - "Mensch, Umwelt und Sachwerte" die Sorge um die Kulturgüter mit aufzunehmen. Und das, obwohl die Formulierung "Kultur- und Sachwerte" im übrigen Europa gängig ist und unseren Intentionen gut entsprochen hätte. Sollte das Dessau-Wörlitzer Gartenreich also nicht vor Überschwemmungen geschützt werden? Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) hat zu dieser Problematik den Entwurf für ein neues Artikelgesetz erarbeitet, das wir den zuständigen Bundesministerien besonders ans Herz gelegt haben. Ich bin guter Hoffnung, dass wir im weiteren Dialog mit den Bundesministerien und den politischen Entscheidungsträgern in Bundestag und Bundesrat eine breite Unterstützung für diese Gesetzgebungsinitiative finden werden.
Wird die Zuständigkeit der Länder für den Denkmalschutz dadurch nicht massiv beeinträchtigt?
Denkmalschutz ist ein Kulturauftrag. Deshalb ist der Denkmalschutz Ländersache. Dies ist richtig, niemand will an dieser Aufgabenverteilung rütteln. Im Gegenteil. Es ist gut, dass über identitätsstiftende Kulturdenkmäler vor Ort gewacht wird. Dass dort entschieden wird, was wie zu restaurieren und zu erhalten ist und welche Nutzung für diese Kulturdenkmäler angemessen erscheint. Deshalb ist die Rahmengesetzgebung nur eine Ergänzung dieses Grundsatzes. Durch die Berücksichtigung des Denkmalschutzes in seiner Gesetzgebung unterstützt der Bund vielmehr die Bemühungen der Länder um die Erhaltung ihres baulichen Erbes.
Im aktuellen Streit um die Waldschlösschenbrücke in Dresden wird der Ruf nach einer Umsetzung der Unesco-Welterbekonvention in nationales Recht laut. Halten Sie das für nötig?
Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat in seinem Beschluss zum Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden klar festgestellt, dass zwar die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat an die Welterbekonvention gebunden ist, dies jedoch nicht für die einzelnen Bundesländer gelten kann. Aufgrund des föderalen Systems der Bundesrepublik kann eine Bindung der einzelnen Bundesländer an die Welterbekonvention wohl nur durch eine entsprechende Aufnahme in die Denkmalschutzgesetze der Länder erfolgen.
Können so künftig Konflikte mit der Unesco vermieden werden ?
Nach meiner Überzeugung gehört zum umfassenden Schutz unserer Welterbestätten mehr als die Umsetzung der Unesco-Konvention in "lokales Recht". Jeder weiß, dass es auch bei der Anwendung von Rechtsgrundsätzen zu unterschiedlichen Auffassungen und Einschätzungen kommen kann. Ich halte es vielmehr für notwendig, dass schon bei der Vorbereitung neuer Anträge zur Aufnahme in die Weltkultur- und Naturerbeliste der Unesco ein Managementplan erstellt wird, durch den mögliche Konfliktpotenziale ausgeschlossen werden.
Bei der Vielzahl von Entscheidungsträgern ist es notwendig, rechtzeitig eine umfassende Beteiligung, Einschätzung und Abwägung vorzunehmen, die den notwendigen Schutz unseres Welterbes gewährleistet. Selbstverständlich können solche Managementpläne auch für bestehende Welterbestätten erstellt werden. Die Problematik der Waldschlösschenbrücke in Dresden und auch die des Kölner Doms zeigen, dass die Planungen, die zur Gefährdung des Welterbestatus führten, den Umfang und die Bedeutung der Aufnahme in die Welterbeliste einfach nicht richtig eingeschätzt haben. Dies kann nur durch eine frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten vermieden werden.
"Häuslebauer" fürchten Bürokratisierung und Verteuerung durch zu viele Denkmalschutzvorgaben. Zu Recht?
Natürlich haben die Denkmaleigentümer nach den meisten Denkmalschutzgesetzen der Länder ihren historischen Besitz pfleglich zu behandeln und möglichst zu erhalten. In allen Gesetzen ist aber auch die Regelung vorhanden, dass die Denkmalerhaltung dem Eigentümer zumutbar sein muss. Hier wird regelmäßig eine Abwägung stattfinden zwischen den Belangen der Öffentlichkeit, gebaute Kulturgüter erhalten zu wollen, und den Möglichkeiten des Denkmaleigentümers. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass notwendige Erhaltungsarbeiten an einem Denkmal steuerlich geltend gemacht werden können; eine Abschreibungsmöglichkeit, die es meines Wissens in keinem anderen Bereich mehr gibt. Schließlich unterstützen die meisten Bundesländern auch mit Fördermitteln notwendige Erhaltungsarbeiten. Der Gedanke, der Eigentümer eines Denkmals werde über Gebühr finanziell belastet, ist nach meiner Erfahrung hauptsächlich unter Nichtdenkmaleigentümern verbreitet. Die Eigentümer solcher Denkmäler werden durch den Denkmalschutz beraten, erhalten Hilfe und Anleitung für ihre Sanierungsarbeiten, aber sie erhalten eben auch praktische Ratschläge, wie sie für sich finanzielle Vorteile geltend machen können.
Auch in den Kommunen wird Denkmalpflege oft unter Kostengesichtspunkten diskutiert. Ist der Nutzen konkret wirtschaftlich messbar?
In der Vergangenheit wurde häufig die Frage diskutiert, in welcher Form die Denkmalpflege auch ein Faktor für den wirtschaftlichen Fortschritt darstellt - was nur scheinbar ein sprachlicher Widerspruch ist. Deshalb hat das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz eine Kommission eingesetzt, die sich der Beantwortung dieser Frage angenommen hat.
Die Untersuchung hat belegt, dass jeder Euro staatlicher Mindereinnahme durch die Absetzbarkeit gemäß den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten rund 15 Euro an Folgeinvestitionen auslöst. Der Subventionsbericht der Bundesregierung für das Jahr 2004 weist 54 Millionen Euro Steuermindereinnahmen durch die Abschreibungsmöglichkeiten des Einkommensteuergesetzes aus, was einem Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 818 Millionen Euro entspricht. Eine beeindruckende Bilanz.
Aufträge für Baufirmen und Einnahmen durch den Tourismus wird man noch hinzurechnen müssen?
Durch Baumaßnahmen an Denkmälern werden viele Arbeitsplätze geschaffen - mit einem Know how, das hohe Anforderungen stellt und deshalb nur von qualifizierten Handwerkern erbracht werden kann. Gerade bei den qualifizierten Arbeitskräften ist die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor Vorreiter in Europa, so dass dies den Arbeitsplätzen in unserem Lande direkt zugute kommt. Weiterhin haben Erhebungen ergeben, dass die Bewilligung eines Euros an Fördermitteln etwa 5 bis 8 weitere Euro an privaten Investitionen freisetzt. Dies bedeutet in erster Linie wirtschaftlichen Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen.
Die Wirtschaftskraft der Denkmalpflege wird auch durch eine Studie des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie zur Wertschöpfung bei Garten-denkmälern belegt. Hier hat sich ergeben, dass Gäste eines Gartendenkmals bis zu 20 Euro pro Kopf am Ort ausgeben. Ein Potenzial, dessen Bedeutung sicherlich in diesem Umfang bislang nicht deutlich war. Inzwischen ist auch anerkannt, dass restaurierte Denkmäler so genannte "weiche Standortfaktoren" darstellen.
Dies sind handfeste Argumente im Wettbewerb der Städte um Investoren und zahlungskräftige Touristen. Ein modernes Unternehmen prüft vor seiner Ansiedlung, ob seine Mitarbeiter ein ansprechendes Umfeld mit einem überzeugenden Kulturangebot erwartet. Zu diesem Angebot zählt natürlich auch das Vorhandensein historischer Bausubstanz. Regionen, die dies nicht beachten, können im Wettbewerb um Investoren nicht bestehen.
Das Gespräch führte Astrid Pawassar.