FREIWILLIGENDIENSTE
Zivilgesellschaftliches Engagement von Jugendlichen soll erleichtert werden
Mehr als 30.000 Jugendliche engagieren sich in Deutschland in Freiwilligendiensten - ohne sie wäre die Arbeit in vielen Altenheimen, Krankenhäusern oder Jugendhilfeeinrichtungen wohl nicht zu stemmen. Doch vom Engagement der Jugendlichen profitieren nicht nur die Einrichtungen, in denen sie eingesetzt werden. Für viele der Jugendlichen, die gerade ihren Schulabschluss gemacht haben, ist die Konfrontation mit der Gebrechlichkeit anderer oder die Erfahrung, wirklich gebraucht zu werden und Dinge bewegen zu können, ein bedeutender Schritt beim Erwachsenwerden.
Die meisten der Jugendlichen absolvieren ihren Freiwilligendienst im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) oder eines Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ). In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, die Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste in Deutschland zu verbessern, nachdem es bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen interfraktionellen Antrag dazu gab. Fraktionsübergreifend besteht Übereinstimmung in der Auffassung, dass die Freiwilligendienste unbedingt gefördert werden müssen.
Am 6. März verabschiedete der Bundestag einen Gesetzentwurf der Koalition ( 16/6519) zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten. Der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium Herman Kues sagte dazu in der Debatte, das Gesetz sei "eine wichtige Weichenstellung für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft". Indem es das "vorhandene Potenzial an Einsatzbereitschaft" ausschöpfe, helfe es, eine Antwort auf die Überforderung des Staates zu finden und mache Schluss mit der "Illusion von Vater Staat".
In dem Gesetz werden FSJ und FÖJ, für die es bislang zwei getrennte Regelungen gab, zusammengefasst. Galt für die Freiwilligendienste bislang eine Regeldauer von 12 Monaten, können sie jetzt flexibler gestaltet werden. Sie haben nun eine Mindestdauer von sechs Monaten und können auf maximal 24 Monate ausgedehnt werden.
Damit soll es künftig möglich sein, mehrere sechsmonatige Freiwilligendienste zu kombinieren, die Dienste in drei-Monats-Blöcken abzuleisten oder Dienste sowohl im In- als auch im Ausland abzuleisten. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), deren Ministerium für die Freiwilligendienste zuständig ist, glaubt, dass es damit möglich ist, freie Zeit zwischen Schulabschluss und Berufsausbildung oder Studium und einem FSJ/FÖJ besser abzustimmen. Damit wird es viel leichter, einen Freiwilligendienst zu leisten und sich zivilgesellschaftlich zu engagieren.
Anders als ursprünglich geplant, sind im Gesetz die herkömmlichen Bezeichnungen beibehalten worden. FJS und FÖJ hätten sich als "Markennamen" etabliert, erklärte der CDU-Abgeordnete Markus Göbel in der Debatte das Ergebnis einer öffentlichen Anhörung, in der Sachverständige deutlich gegen eine Umbenennung plädiert hatten. Im Gesetz etwas versteckt, für die Einrichtungen und Körperschaften, die als Träger der Freiwilligendienste fungieren, aber von großer Bedeutung ist eine weitere Neuerung: Künftig gibt es eine neue "Pflichtenverteilung". Bislang sind die Zahlungen der Einsatzstellen, in denen die Jugendlichen ihren Freiwilligendienst ableisten, an die Träger umsatzsteuerpflichtig. Um die Träger vor dieser immensen finanziellen Belastung zu schützen, sind die Einsatzstellen nun "unmittelbar und ausschließlich aus der vertraglichen Vereinbarung mit den Freiwilligen berechtigt und verpflichtet" - die Umsatzsteuer fällt damit nicht mehr an. Für die Opposition und den Arbeitkreis Freiwilliges Soziales Jahr ist das zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht die gewünschte Lösung. Sie hatten auf eine Lösung gehofft, nach der Freiwilligendienste grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit wären. Ein solcher Ausnahmetatbestand sei nach Aussage des Finanzministeriums allerdings nicht möglich, bedauerte auch Sönke Rix (SPD). In einer Stellungnahme betont der Arbeitskreis, die Erhebung von Umsatzsteuer auf die Dienstleistungen im Rahmen der Freiwilligendienste sei "juristisch nicht nachvollziehbar und politisch inakzeptabel". Während der Gesetzentwurf auf Seite der Betroffenen jedoch bereits während der Beratungen grundsätzlich begrüßt wurde, sieht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darin Ausdruck für ein Scheitern der Großen Koalition auf dem Feld der Jugendpolitik. Dort agiere die Regierung "hilflos, planlos, ziellos", kritisierte Grünen-Redner Kai Gehring. Seine Fraktion fordere die Regierung auf, endlich ein Gesamtkonzept für alle Freiwilligendienste vorzulegen und nicht nur FSJ und FÖJ neu zu regeln. Ähnliche Kritik kam auch aus den Reihen der FDP und der Linken. Der Gesetzentwurf greife mitnichten den früheren interfraktionellen Antrag auf, bemängelte Sybille Laurischk (FDP) und verschärfe im Gegenteil "sozial- und sozialversicherungsrechtliche Unklarheiten" noch. Weil andere Freiwilligendienste nicht einbezogen würden, bleibe die Reform "Stückwerk".
Für Die Linke befürchtete Elke Reinke, mit der Ausdehnung der Maximaldauer der Dienste auf 24 Monate bestehe die Gefahr, dass die Freiwilligen "als billige Arbeitskräfte" genutzt würden und so langfristig reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden könnten.
Grüne und Liberale scheiterten erwartungsgemäß mit ihren Anträgen ( 16/6769, 16/6771). In denen hatten sie einen verstärkten Ausbau der Freiwilligendienste und die Zusammenfassung aller Dienste in einem Gesetz forderten.