Verfassungsschutz
Ein Handbuch von wissenschaftlicher und politischer Bedeutung
Dieses Werk schließt nicht nur eine mehr als 20-jährige Lücke. Das "Handbuch des Verfassungsschutzrechts" überrascht auch durch ein bislang unbekanntes Maß an Transparenz über den deutschen Inlandsgeheimdienst. Die Autorin Bernadette Droste präsentiert eine europäische Premiere, da über keinen anderen Inlandsnachrichtendienst eine vergleichbare Darstellung vorliegt.
Die gesetzlichen Grundlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) entstammen der Frühphase der Bundesrepublik. Sie wurden jedoch erst in den 1980er-Jahren kurz vor ihrer umfassenden Novellierung 1990 kommentiert. Seither und bis in die jüngste Zeit - etwa im Zuge der Terrorbekämpfung - hat das Nachrichtendienstrecht zahllose Änderungen erfahren, weitere Novellierungen stehen in der Diskussion. Nicht nur deswegen, sondern vor allem im Blick auf die aktuellen besorgniserregenden Entwicklungen des Extremismus in all seinen Auswüchsen, ist der Nutzwert des Handbuchs für alle Anwender von immenser Bedeutung.
Im Mittelpunkt steht eine dem Stand der Gesetzgebung entsprechende Kommentierung des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG). Vor dem Hintergrund des jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontextes bündelt die Kommentierung - weithin nicht in Gesetzbegründungen dokumentierte, sondern auf persönlichen Kenntnissen basierende - Intentionen des Gesetzgebers, eine zahllose Einzelaspekte umfassende Rechtsprechung sowie Literatur und Praxis des BfV zu einem ausgewogenen Ganzen.
Bernadette Droste, war langjährig in leitender Funktion im BfV tätig und ist zur Zeit Dienststellenleiterin der Hessischen Landesvertretung in Berlin. Ihre berufliche Herkunft rechtfertigt, von einem Insider-Werk zu sprechen. Tatsächlich ist das Buch aber keine Gratwanderung zwischen "gerade noch" und "nicht mehr" veröffentlichungsfähigen Informationen, sondern eine präzise Komposition von Theorie und Praxis.
Verfassungsschutz ist Bund und Ländern als gemeinsame Aufgabe zugewiesen und schon deshalb mehr als die Summe 17 gleichnamiger Behörden. Die gemeinsame Staatsaufgabe "Verfassungsschutz" konkretisiert sich über das BVerfSchG hinaus in zahlreichen weiteren Gesetzen, die als Ganzes erst Reichweite, Grenzen und Inhalte des administrativen Verfassungsschutzes bestimmen: G 10-Gesetz, Parlamentarisches Kontrollgremiumsgesetz, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Parteien- und Vereinsgesetz sind die markanten Eckpunkte dieses Gesetzesumfeldes. Das Handbuch ordnet diese Eckpunkte hinsichtlich ihrer Bezüge zum Verfassungsschutz und liefert praktische Anleitungen.
Von daher erweist es sich als ein ausgewogenes Kompendium, dass das Thema mit sprachlichem Geschick leicht verständlich und mit beruflichem Erfahrungswissen für eine breite Öffentlichkeit nachzeichnet. Es beeindruckt durch Sachkunde und Praxisnähe sowie durch Vollständigkeit und Detailreichtum. Dies alles macht das Handbuch zu einem Werk von wissenschaftlichem Rang.
Nicht dahinter zurück tritt seine politische Bedeutung: Das Handbuch zeichnet den Verfassungsschutz als "Frühwarnsystem" an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung nach und deutet ihn perspektivisch aus. Insbesondere plädiert es für den Erhalt dieser Frühwarnfunktion unbeschadet der Tatsache, dass Teile der Politik ein anderes, "sicherheitsbehördliches" Modell favorisieren. Darüber hinaus problematisiert die Neuerscheinung die politische Überfrachtung - etwa bei der Überwachung der PDS - von Sachentscheidungen innerhalb des Verfassungsschutzverbundes und kritisiert das Ressourcengefälle innerhalb der Verfassungsschutzbehörden. Deshalb spricht sich Bernadette Droste für die Prüfung länderübergreifender Strukturen ebenso aus wie für ein im Bedarfsfall administratives Weisungsrecht des BfV.
Handbuch des Verfassungsschutz-rechts.
Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2007; 836 S., 120 ¤