Familie
Wie Kinder und Karriere beider Elternteile unter einen Hut gehen, zeigt eine neue Studie. Und was sagt die Politik?
Das Thema Zeit ist ein Dauerbrenner im Leben der vierköpfigen Familie. Katja Kamphans leitet die Marketing-Abteilung eines Versicherungsmaklers, ihr Mann Christoph Wortig ist Mitglied der Geschäftsleitung einer großen Bank. Dienstreisen, Termine, Konferenzen - vor halb acht Uhr abends ist keiner von ihnen zu Hause. Dass das Familienleben mit den Söhnen Jonas und Elias dennoch funktioniert, ist "manchmal eine organisatorische Meisterleistung", sagt die 39-jährige Managerin. "Und eine emotionale Herausforderung." Und doch: Ein Leben ohne Kinder kann sie sich ebenso wenig vorstellen wie ein Leben ohne ihren 60-Stunden-Job.
Das Paar ist eine von knapp 1.200 Familien, die die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) befragt hat, um herauszufinden, wie es Doppelkarrierepaaren mit Kindern gelingt, zwei anspruchsvolle Jobs und ein erfülltes Familienleben unter einen Hut zu bekommen. "Kinder und Karrieren: die neuen Paare" heißt die Studie, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und des Bundesfamilienministeriums entstanden ist.
Deutlich wurde bei der Vorstellung der Studie am 15. Mai in Berlin durch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass es sich dabei - noch - um eine kleine Randgruppe handelt. "Diese neuen Paare sind nicht die Mehrheit", so die Ministerin. "Aber sie sind Trendsetter. Ihre Beispiele zeigen sehr deutlich, dass Männer und Frauen Karriere- und Kinderwunsch vereinbaren können."
Allerdings: Es ist ein anstrengendes und nicht zuletzt teures Lebensmodell: Fast 1.000 Euro im Monat zahlen Katja Kamphans und Christoph Wortig der Kinderfrau, die nachmittags auf die beiden Söhne aufpasst. Dazu kommen die Kosten für die Kita des Jüngeren, das Schulessen des Älteren und die Haushaltshilfe. "Insgesamt sind das fast 2.000 Euro", sagt Wortig. "Das mag ungeheuerlich wirken, aber wir haben uns von Anfang an darauf eingestellt."
Die finanziellen Belastungen sind das eine, die vielfältigen Widerstände im Job das andere. So kritisiert fast die Hälfte der Interviewten, dass in ihrem Unternehmen die Dauer der Anwesenheit entscheidend sei für die weitere Karriere. Nur gut ein Drittel der Unternehmen unterstützt laut Studie die räumliche und zeitliche Flexibilität ihrer Mitarbeiter. Vor allem Männer in Führungspositionen, die einen aktiven Part zu Hause übernehmen wollen, stehen vor enormen Herausforderungen. Denn von ihnen erwartet ihr Arbeitgeber oftmals zeitlich unbegrenzte Einsatzbereitschaft. Immerhin: Zwei Drittel der Befragten setzen sich laut Studie für Familienfreundlichkeit in ihrem Unternehmen ein, weil sie selbst erleben, wie schwierig die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere noch immer ist. Insofern gehe von den "neuen Paaren" als Vorreiter eines modernen Rollenverständnisses ein wichtiges Veränderungspotenzial aus.
Als "Wasser auf unsere Mühlen" bezeichnet von der Leyen die Ergebnisse der Studie. Mit der Ausweitung der Väterkomponente beim Elterngeld, dem Ausbau der Kinderbetreuung sowie der Schaffung eines legalen Marktes bezahlbarer haushaltsnaher Dienstleis-tungen will sie dazu beitragen, dass das Lebensmodell der neuen Paare Schule macht.
Darin weiß sie sich mit der CDU-Parlamentarierin Eva Möllring einig. Die Berichterstatterin zum Thema "Chancen von Frauen im Beruf" im Familienausschuss kennt aus eigener Erfahrung die schwierige Situation von Eltern, die beide Karriere machen wollen. Sie verweist auf einen Antrag ihrer Fraktion, der sich mit den Erkenntnissen der Studie in vielen Punkten decke, ein weiterer Antrag sei in Arbeit. Vor allem von den Personalverantwortlichen in den Unternehmen verlangt die dreifache Mutter ein Umdenken. "Viele dieser Herren sind nicht gewöhnt, dass Frauen eigenständig im Beruf stehen wollen. Aber auch die Mütter müssen den Mut haben, die Karriere zu verfolgen, die sie sich wünschen - trotz mentalen Gegenwindes von allen Seiten."
Auch SPD-Familienpolitikerin Angelika Graf bewertet die Studie positiv. Allerdings ist ihr der Fokus zu sehr auf Gutverdiener gerichtet. "Bei uns gibt es so viele Eltern, die beide arbeiten müssen, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen", sagt sie. Zu untersuchen, wie diese Paare den Spagat zwischen Berufstätigkeit und Familie bewältigen, fände sie spannend. Sie sagt, dass der bevorstehende Fachkräftemangel Betriebe zu einer familienfreundlicheren Unternehmenskultur zwingen werde. Das sieht auch Ina Lenke so. "Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass sich Familienfreundlichkeit für Unternehmen auszahlt", so die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. "Wenn demnächst der Konkurrenzkampf um qualifizierte Facharbeiter beginnt, haben Betriebe mit flexibleren Arbeitszeiten und -modellen klare Wettbewerbsvorteile."
Der Hoffnung auf einen Mentalitätswandel in den Unternehmen sieht Jörn Wunderlich hingegen skeptisch. Beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie lediglich auf die Freiwilligkeit der Unternehmen zu setzen, hält der familienpolitische Sprecher der Linksfraktion für verfehlt. Stattdessen fordert er, die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene zu stärken und die "schwarzen Schafe" unter den Unternehmen mit gesetzlichen Vorgaben zu mehr Familienfreundlichkeit zu zwingen. Der Familienministerin rechnet er aber positiv an, dass durch die Vätermonate beim Elterngeld ein Umdenken in der Gesellschaft einsetze. Ein Umdenken, das Paare wie Katja Kamphans und Christoph Wortig begrüßen. Denn ihr Lebenskonzept halten die beiden - bei allem Stress - für ein echtes Erfolgsmodell: "Es macht sehr viel Spaß und ist extrem zukunftsfähig." Nicole Alexander z