KAmpf um Ressourcen
Frank Sierens provokantes Buch über die erfolgreiche Außenpolitik Chinas
Wach auf, Deutschland! Wach auf, Europa! Die Chinesen kommen! Unsere Führungsrolle in der Weltwirtschaft und unsere Werte stehen zur Disposition und drohen unter die Räder zu kommen. Die Emporkömmlinge aus Asien zwingen die etablierten Industrienationen, ihren Anspruch auf die alleinige Ausbeutung der Ressourcen aufzugeben. Oder - wie Frank Sieren meint - die Zivilisation befindet sich im Jahrhundert des "globalen Teilens". Denn die Mehrheit der Menschen greift zum "ersten Mal in der Geschichte der Welt" nach der Macht. Allerdings verzichtet Sieren darauf, seinen Ausblick konkreter zu beleuchten. So erfährt der Leser nicht, ob diese Entwicklung friedlich verlaufen wird oder Kriege die neue Weltordnung hervorbringen. Der Autor gibt keine Antworten, denn es handelt sich um die letzten Zeilen seines Buches "Der China Schock".
Frank Sieren lebt seit 14 Jahren in China und wird von der "Zeit", mit deren Herausgeber Helmut Schmidt er bereits ein Buch veröffentlichte, als "einer der führenden deutschen China-Spezialisten" gepriesen. Dabei finden sich in Sierens wissenschaftlichem Apparat und in der langen Literaturliste nur zwei chinesischsprachige Quellen. Ansonsten verweist er auf englisch- oder deutschsprachige Belege.
Aus seiner parteipolitische Präferenz macht Sieren kein Hehl. An den Anfang seiner Studie stellt er ein Zitat von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), während er die "werte-orientierte" Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenüber China und Afrika scharf angreift. Der Autor liest der Bundeskanzlerin kräftig die Leviten und empfiehlt ihr, China und den afrikanischen Diktaturen ihren Politikansatz geschickter, wirkungsvoller und überzeugender zu vermitteln: schließlich stünden gerade auf dem schwarzen Kontinent die künftigen Rohstoff-Lieferungen und gewaltige Absatzmärkte für deutsche Produkte auf dem Spiel. Kurz: von den Chinesen lernen heißt siegen lernen!
Auch an anderer Stelle vermögen die selbstgefälligen Kommentare des Autors und seine Geringschätzung der demokratischen Systeme westlicher Prägung, die er mit der "pragmatischen Politik" der Volksrepublik China vergleicht, nicht zu überzeugen. Offensichtlich ist Sieren von Chinas Erfolgen derart geblendet, dass ihm die notwendige Distanz zu seinem Forschungsobjekt verloren gegangen ist. Gleichwohl gelingt es ihm, dem Leser die Hintergründe und Ziele der chinesischen Politik verständlich zu machen.
Seine langjährigen Kontakte zur politischen Elite Chinas verschafften dem Autor Zugang zu den Ministerpräsidenten und Staatsoberhäuptern der Länder, in denen sich die Volksrepublik engagiert. Im Einzelnen handelte es sich um Korea, Iran, Sudan und Angola. Lesenswert ist die Darstellung der komplizierten China-Politik in Bezug auf Nord-Korea, insbesondere was die Atomgespräche betrifft. Daneben erläutert er ausführlich die chinesische Politik in der Mongolei und stellt dabei die Innen- und Außenpolitik dieses riesigen, aber nur dünn besiedelten, rohstoffenreichen Landes dar.
Mit Blick auf Chinas Afrikapolitik weiß Sieren viel Neues zu berichten. Vor Ort kann er sich von den Erfolgen Pekings überzeugen. Zugleich räumt er kategorisch mit dem Klischee der nach Rohstoffen gierenden Chinesen auf, die wie eine Armada Heuschrecken über das arme Afrika herfielen. Schenke man westlichen Kritikern Glauben, bliebe den Afrikanern nach dem Abzug der Chinesen nur noch die Wüste, höhnt Sieren. Tatsächlich sehe die Realität anders aus: Dort, wo sich die Chinesen engagierten, blühe die Wirtschaft und der vorher hungernden Bevölkerung gehe es nachweislich besser. Zwar herrschten nach wie vor dieselben Diktatoren, mit denen Peking Geschäfte ohne Rücksicht auf die Menschenrechte machten. Aber vom Kuchen erhielten jetzt auch die Armen ein Stückchen ab.
Detailliert beschreibt der Autor die chinesische Afrika-Strategie: angefangen von der Vergabe billiger Kredite in Milliardenhöhe über kreditgebundene Bauaufträge bis zur Ausbeutung der Rohstoffe. Die von China angebotene "win-win"-Partnerschaft unterstütze die Afrikaner: Dabei handle es sich nicht um chinesischen "Neo-Kolonialismus" oder Imperialismus, um Afrika zu erobern, sondern um das strategische Ziel des bevölkerungsstärksten Staates der Welt, sich einen ganzen Kontinent zu sichern. Aus den Erfahrungen der Kolonialmächte hätten die Chinesen gelernt: deshalb setzten sie nicht nur auf Ausbeutung, sondern gleichzeitig auf den Aufbau der Infrastruktur.
Um seine positive Sicht der chinesischen Afrikapolitik zu belegen, lässt Sieren die Afrikaner selbst zu Wort kommen. Sie wüssten zu schätzen, dass die Chinesen neue Arbeitsplätze schaffen.
Pekings Reformpolitik ist es zu verdanken, dass sich innerhalb von zwanzig Jahren 400 Millionen Chinesen aus der absoluten Armut befreien konnten. Wenn das kein überzeugendes Argument sei, um Chinas Afrika-Politik zu akzeptieren, meint Sieren. Er kritisiert die Bewertung der Darfur-Krise als Völkermord und unterstellt der US-Regierung, über die Thematisierung des "Völkermordes in Darfur" die chinesische Politik im Sudan zu torpedieren.
Fazit: Frank Sieren ist ein provokantes, aber sehr empfehlenswertes Buch über die Hintergründe und Ziele der Außenpolitik Pekings gelungen.
Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht.
Econ Verlag, Berlin 2008; 429 S., 19,90 ¤