NATO
Ein Handbuch über die Entwicklung der nordatlantischen Allianz
Die Nato, gegründet 1949, feiert am 4. April des kommenden Jahres ihren 60. Geburtstag. Das Jubiläum ist allemal ein Grund, sie mit ihren Zielen, Strukturen und auch mit ihrer Geschichte ein wenig ausführlicher vorzustellen. Hierzu legt Johannes Varwick, Professor für Politikwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, bereits ein Jahr vorher ein knappes, übersichtliches und dennoch informatives Handbuch vor.
Mit dem Untertitel "Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei?" wird die Spannbreite der Herausforderungen an das Bündnis deutlich: sie reicht von den Absichten der Gründung einst, über die aktuellen Ansprüche bis hin zu den zu erwartenden und möglichen Anforderungen weltweit zu agieren. Varwick verliert bei der Vorstellung dieser unterschiedlichen Aspekte nie die Absicht aus dem Auge, ein Handbuch zu erarbeiten und gleichzeitig so viel Information wie möglich zu vermitteln.
Die ersten Abschnitte dienen ausschließlich der Darstellung der Gründe zum Aufbau der Allianz, dem Überblick der Entwicklung des Bündnisses und der Erläuterung ihrer Strukturen und Funktionsweise. Dazu gehört auch, die Strategien der Nato im Wandel vorzustellen. Spätestens an dieser Stelle verbindet Varwick die allgemeine Information mit den heutigen Herausforderungen von außen und den bündnisinternen Anforderungen. Nicht von ungefähr fragt er deshalb, wie das Bündnis und seine Mitglieder die Ansprüche mit den vorhandenen politischen und militärischen Strukturen vereinbaren und weiter entwickeln wollen. War die Nato doch als Verteidigungsbündnis gestartet und agiert heute jenseits des ursprünglichen Verantwortungsbereichs. Folgt man weiter dem funktionalen Ansatz anstelle des geografischen und richtet die militärischen Kapazitäten und Strukturen an den gewünschten Fähigkeiten und nicht an Bedrohungen aus, ergeben sich einige für die Zukunft prägende und nachhaltige Veränderungen. Varwick stellt sie in den drei wesentlichen Abschnitten vor, die sich mit dem Verhältnis von Nato und EU sowie mit der Rollenverteilung zwischen Europa, Nato und den USA, und zum anderen mit dem Wandel des Anforderungsprofils des Bündnisses hin zu einem Stabilisierungsinstrument auseinandersetzen.
Varwick unterstreicht das nicht gerade an Missverständnissen arme Miteinander der Europäer, mit dem atlantischen Partner. Liegen doch dessen Rollenverständnis jenseits der europäischen Vorstellungen und die Kapazitäten, Fähigkeiten und Finanzvolumen der USA überproportional oberhalb der der Europäer. Hieraus ergeben sich Unstimmigkeiten, welche die Wirkungsmöglichkeiten der Nato hemmen. Außerdem darf man nach einer Rollenverteilung fragen, wenn es um militärische Einsätze geht. Können die Europäer das Spektrum der Anforderungen ohne Rückgriff auf die Kapazitäten der Nato abdecken?
Schließlich ist zu fragen, inwieweit die Nato die inzwischen gewachsene Aufgabenvielfalt in Einsätzen beherrschen kann. Denn es geht ja längst um mehr, als um ausschließliche militärische Präsenz. "Die militärische Komponente", so Varwick, "ist bei den meisten Einsätzen zwar ein zentrales Element, ohne einen Instrumentenmix, der auch zivile, politische und ökonomische Elemente enthält, wird sich jedoch kein längerfristiger Erfolg einstellen." Ob dies die Nato selbst machen oder über eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie EU oder UNO erreichen soll, sei "eine offene Frage".
Insgesamt bleibt Varwicks Urteil über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Atlantischen Allianz vorsichtig optimistisch. Er attestiert ihr eine gute Chance, auch in den kommenden Jahrzehnten relevant zu bleiben. Nicht zuletzt, weil sie in den vergangenen 60 Jahren eine nicht unbeachtliche Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit bewiesen hat, wenn sie sich wirklich herausgefordert gefühlt hat - auch im transatlantischen Dialog.
Die NATO. Vom Verteidigungs-bündnis zur Weltpolizei?
Verlag C.H. Beck, München 2008; 200 S., 12,95 ¤