RASSISMUS
1936 verdarb Jesse Owens Hitler die Ariershow
Es waren einmal zwei edle, erfolgreiche Olympioniken, die trotzten dem Rassismus sowie der Willkür brutaler Machthaber durch faires Verhalten und setzten durch ihr couragiertes Auftreten ein Fanal für Frieden und Völkerverständigung... So pathetisch könnte das Olympia-Märchen mit den Haupthelden Jesse Owens und Luz Long beginnen. Eine Geschichte, die so traumhaft daherkommt, dass sie als Märchen oder Hollywood-Rührstück durchgehen könnte. Wenn nicht das Happy End fehlen würde.
Auch vor den Olympischen Spielen 1936 gibt es Boykottbestrebungen. Die Nürnberger Rassengesetze von 1935 verschärfen die Situation ein Jahr vor der Eröffnungsfeier in der Reichshauptstadt zusätzlich - auch für das Nationale Olympische Komitee der USA. Doch letztlich gibt es einen knappen Entscheid dafür, Amerikas Athleten ins Reich des Bösen zu entsenden. Einer von ihnen: Jesse Owens. Ausgerechnet dieser afro-amerikanische "Untermensch" wird Star der Sommerspiele und verdirbt Adolf Hitler vor dessen Augen im Berliner Olympiastadion, dem frisch erbauten Nazi-Körperkult-Tempel am Reichssportfeld, die Feier der "überlegenen Rasse". Rund 100.000 Zuschauer bejubeln den "Neger" bei seinen Siegen über 100 und 200 Meter, in der 4x100-Meter-Staffel und im Weitsprung. Doch es kommt noch dicker für den Führer auf der Ehrentribüne: Ein lupenreiner "Arier" verhilft Owens zum Sieg im Weitsprung -und das als Konkurrent. Der blonde, blauäugige Leipziger Luz Long, mehrmaliger Deutscher Meister im Weitsprung und Europarekordinhaber, sieht, dass Owens Probleme mit seinem Anlauf hat. In der Qualifikation hat Jesse bereits zwei Versuche in den Sand gesetzt, sie sind ungültig. Mit dem Dritten muss er 7,15 Meter überspringen. Long gibt kollegial Tipps für die Anlaufeinteilung. Owens schafft die Weite und wird später Olympiasieger mit 8,06 Meter. Vor Luz Long, der mit 7,87 Meter Silber holt. Und das alles vor den Augen Hitlers, der dem Star der Spiele, der als erster Leichtathlet vier Goldmedaillen bei Olympia gewinnt, den Handschlag verwehrt, indem er einfach verschwindet. Bis hierhin ist es eine wundervolle Geschichte zweier Sportler, die während des Wettkampfs Freunde werden. Aber leider: So rosarot war es dann doch nicht. Nach dem Welttreffen der Sportler haben sich der Sohn eines Baumwollpflückers, Jesse Owens, und der Anwalt Dr. Carl Ludwig "Luz" Long nicht mehr gesehen.
Bei der Alliierteninvasion auf Sizilien wird Long verwundet und stirbt am 13. Juli 1943. Für das "american idol" Owens, der die USA mehr als würdig vertreten hat, kehrt im Land der ältesten Demokratie der Welt schnell wieder der Alltag ein. Im Bus darf er nach wie vor nicht vorne sitzen. Er muss an der Hintertür Platz nehmen. Und, so entzaubert er später sein olympisches Märchen: "Hitler hat mir nicht die Hand gegeben, aber der amerikanische Präsident auch nicht."