kuwait
Im neuen Parlament sitzen weiterhin nur männliche Abgeordnete
Die Abgeordneten haben gebrüllt, damit ich meinen Schwur nicht aufsagen konnte. Einen Augenblick habe ich gedacht, was soll ich eigentlich hier?" Masouma al-Mubarak deutet demonstrativ auf das große Foto an der Wand hinter ihrem Schreibtisch, auf dem eine verzweifelte Frau im weißen Kopftuch sich die Ohren zuhält, um das Geschrei im Parlament zu dämpfen. "Madame Masouma", wie ihre Assistentin sie respektvoll nennt, war das erste weibliche Regierungsmitglied, das Kuwait hatte. Schon sechs Jahre vor ihrer Ernennung hatte die kuwaitische Herrscherfamilie der Al-Sabah das Wahlrecht für Frauen einführen wollen und ist an den männlichen Abgeordneten gescheitert. Als diese dann endlich im Mai 2005 ihren Widerstand aufgaben, nahm der Emir postwendend eine Frau in seine Regierung auf. Inzwischen war eine zweite Ministerin dazu gekommen. Doch die gesamte Regierung trat im März dieses Jahres zurück. Streitigkeiten zwischen dem Parlament und dem Kabinett eskalierten und wurden unüberbrückbar. Vorgezogene Neuwahlen schienen der einzige Ausweg. Doch der Urnengang am 17. Mai brachte keine Klärung. Im Gegenteil. Radikale sunnitische und schiitische Islamisten gewannen fast die Hälfte der Sitze in der Volksvertretung. Westlich orientierte Kandidaten wurden kaum gewählt, und keine einzige Frau schaffte den Einzug in die Volksvertretung.
Scheich Sabah al-Ahmed al-Sabah, der die Kabinettsmitglieder ernennt, sitzt nun in der Zwickmühle. Bisher wurden die Schlüsselministerien und der Premierminister traditionell durch Mitglieder der Herrscherfamilie besetzt. Auch Frauen im Kabinett waren kein Tabu mehr. An Premier Sheich Nasser al-Mohammed al-Sabah, ein Neffe des Emirs, entzündete sich der Streit, der dann zum Rücktritt der Regierung führte. Ihm wurde Misswirtschaft und Korruption vorgeworfen. Aber auch zuvor war es immer wieder zu Konfrontationen zwischen einzelnen Ministern und Parlamentariern gekommen. Laut Verfassung haben die Abgeordneten das Recht, Regierungsmitglieder vorzuladen, sie mit Vorwürfen zu konfrontieren und sie zu "grillen", wie die zuweilen heftigen politischen Auseinandersetzungen in Kuwait City genannt werden.
Darauf sind die Kuwaiter stolz. In keinem anderen Land am Golf haben die Volksvertreter gegenüber dem Herrscherhaus so viel zu sagen. Inzwischen jedoch ist die Kluft zwischen ihnen abgrundtief. Wie ratlos der Emir in dieser Situation ist, zeigt seine Entscheidung vom 21. Mai. Abermals ernannte er seinen Neffen zum Premier, obwohl damit eine erneute Konfrontation mit dem Parlament programmiert ist.
Manchmal fühlte sie sich schon einsam, gibt die 56-jährige Masouma, Mutter von vier Kindern und einmalige Oma, zu. Nicht so sehr im Kabinett oder im Parlament, wo sie lange als einzige Frau unter Männern ihren Standpunkt vertreten musste. Einsamkeit sei sie schon von ihrer Arbeit an der Universität gewohnt. Als sie 1982 mit einem Doktortitel aus den USA nach Kuwait zurückkam, gab es an der hiesigen Universität noch keine weiblichen Dozenten. An der Uni habe sie gelernt sich durchzusetzen und wurde die erste weibliche Professorin. "Einsam fühlte ich mich bei offiziellen Einladungen, bei Mittag- oder Abendessen mit Staatsgästen." Delegationen aus arabischen Ländern hätten selten Frauen in ihren Reihen, und auch in Kuwait würden die Ehefrauen auf Empfänge nicht mitgenommen. Als der britische Thronfolger Prinz Charles Ende Februar 2007 Kuwait besuchte, gab es zwei Essensgesellschaften: eine für ihn und eine für seine Frau, nach Geschlechtern getrennt. Masouma entschied sich für Camillas Frauenparty und erntete Kritik von ihren Kabinettskollegen. "Bei Angela Merkel war das kein Problem", erzählt die erste Ministerin Kuwaits über den Besuch der ersten Bundeskanzlerin. "Die kam mit einer gemischten Delegation." Neben Saudi-Arabien und Jemen gilt Kuwait als traditionell und konservativ. Familiäre Verbindungen, alte Stammesstrukturen und ein streng ausgeübter Islam bestimmen den Alltag der insgesamt drei Millionen Einwohner, wovon allerdings nur knapp über eine Million Kuwaiter sind. Die anderen sind Gastarbeiter, zumeist aus asiatischen Ländern. Jeder Kuwaiter hat das Recht, drei Personen in einem Lehnsverhältnis ins Land zu holen und für sich arbeiten zu lassen. Der hohe Ölpreis macht es möglich, dass immer mehr Fremdarbeiter ins Land geholt werden. Kuwait sitzt auf zehn Prozent der Welt-Ölreserven.
Masouma al-Mubarak glaubt nicht, dass der Emir es noch einmal wagen wird, Frauen ins Kabinett zu holen. Denn schon zum zweiten Mal hätten die 360.000 Wahlberechtigten nicht für Frauen gestimmt, obwohl sie unter 27 Kandidatinnen wählen konnten und obwohl der Großteil - mehr als 50 Prozent - der Wähler weiblich ist. Kuwaiter im Ausland und Armeeangehörige, ausschließlich Männer, waren von der Wahl ausgeschlossen. "Das muss man sich mal vorstellen", kommentiert die ehemalige Ministerin den Wahlausgang. "Wir haben keinen Rückhalt bei den Frauen." Dafür hat sie zwei Erklärungen. Zum einen, weil einige Frauen sich von ihren konservativen Männern beeinflussen lassen, die nicht wollen, dass für weibliche Kandidaten gestimmt wird. Zum anderen aber auch, weil die Frauen selbst nichts an den bestehenden Verhältnissen ändern wollten und mit ihrer Rolle zufrieden seien. Ihre Zahl sei nicht zu unterschätzen, meint Masouma. Das Vorbild der emanzipierten westlichen Frau sei für viele nicht erstrebenswert. So sollte demnach das im Westen weit verbreitete Bild der armen, unterdrückten Araberin zumindest für Kuwait gründlich überdacht werden.