HESSEN
Derzeit ist keine stabile Regierung in Sicht. Und auch noch kein Haushalt für 2009
In den ersten Amtswochen von Roland Kochs (CDU) geschäftsführender Landesregierung herrscht Ruhe nach dem Sturm. Im hessischen Landtag ergeben sich, je nach Thema, ganz unterschiedliche Konstellationen von rot-rot-grün bis zu schwarz-gelb-grün. Auf die Bildung einer stabilen Koalition deutet zurzeit nichts hin. Koch jedoch sitzt fest im Sattel - zumindest in seiner eigenen Partei. Satte 95,3 Prozent erhielt er jüngst bei seiner Wahl zum Landesvorsitzenden. Während seine SPD-Kontrahentin Andrea Ypsilanti im Moment weitgehend abgetaucht ist und im jüngsten Plenum vor allem durch Schweigen auffiel, füllt der Regierungschef gleich eine Doppelrolle aus: Einerseits bleibt er die unumstrittene Führungsfigur eines nach wie vor konservativen Landesverbandes. Andererseits verkörpert der Dalai-Lama-Freund eine beharrliche Charmeoffensive in Richtung Grüne. Während der vermeintlich neue Linksblock von SPD und Linkspartei zum Hauptgegner von Liberalen und Christdemokraten avanciert ist, wird die Ökopartei ungewohnt pfleglich behandelt. Die CDU habe so viel Kreide gefressen, sagt eine SPD-Abgeordnete, dass es kaum noch auszuhalten sei.
Gleichzeitig testen SPD und Grüne mit Unterstützung der Linkspartei ihren Handlungsspielraum gegenüber der geschäftsführenden Landesregierung aus. Die Abschaffung der Studiengebühren gegen die Stimmen von FDP und CDU gilt derzeit als sicher. Bei der Debatte um einen von der Linkspartei beantragten Abschiebestopp nach Afghanistan ließ rot-rot-grün die Muskeln spielen und schickte Hessens Innenminister Volker Bouffier mit einem klaren Handlungsauftrag nach Hause. Bouffier weigerte sich und mußte prompt den Vorwurf einstecken, er missachte die Rechte des Parlaments.
So oder ähnlich dürfte die politische Auseinandersetzung in Hessen vorerst weitergehen. Als Nagelprobe, ob unter den vorherrschenden Bedingungen eine langfristige Gestaltung überhaupt möglich ist, gelten die Beratungen für den Haushalt 2009. Dass Koch seinen Haushaltsplanentwurf erst für Anfang Dezember angekündigt hat, sorgt schon jetzt für Aufregung. Die Verspätung um drei Monate zeige, dass der Ministerpräsident das Ganze selbst nicht ernst nehme, moniert SPD-Geschäftsführer Reinhard Kahl. Und so macht in Wiesbaden neben der Frage, ob Andrea Ypsilanti nach der Sommerpause ihren Hut noch einmal in den Ring wirft, vor allem eine Spekulation die Runde: Roland Koch, so argwöhnen SPD und Grüne, provoziere geradezu einen gescheiteren Haushalt, um damit im kommenden Frühjahr den Weg zu Neuwahlen zu ebnen.