Politisches Interesse kann sich peu à peu entwickeln - oder mit einem Schlag geweckt werden. So wie bei Karl A. Lamers. Der Bundestagsabgeordnete kann sich genau daran erinnern: "Das war der Tag, an dem John F. Kennedy erschossen wurde", sagt Lamers. "Ich war zwölf Jahre alt und mich bewegte, warum ein solcher Hoffnungsträger einer ganzen Generation plötzlich nicht mehr da war." Der US-amerikanische Präsident hatte den in Duisburg geborenen Arztsohn schon bei seinem Deutschlandbesuch im Juni 1963 begeistert: "Seine Aura hat mich fasziniert - und angestachelt, einmal selbst Politiker zu werden", gesteht der heute 57-jährige Außen- und Verteidigungspolitiker der CDU.
Dennoch dauert es noch zwölf Jahre, bis Karl A. Lamers parteipolitisch aktiv wird. Er studiert zunächst Jura in Münster, wechselt dann 1975 nach Heidelberg, wo er am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ein Promotionsstipendium erhält. Noch im selben Jahr tritt der damals 24-Jährige der CDU bei und beginnt sich in der Jungen Union zu engagieren. "Einen Katapultstart" nennt er rückblickend den Beginn seiner politischen Karriere. Fünf Jahre, von 1981 bis 1986, steht Lamers zusammen mit Günther Oettinger, dem heutigen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, an der Spitze der baden-württembergischen Jungen Union. "Ich galt damals als ,der Außenminister'", erzählt Lamers amüsiert.
Denn ernst ist es ihm schon zu dieser Zeit mit seinem Anliegen, sich für einen internationalen Dialog einzusetzen: "Geprägt durch den Kalten Krieg wollte ich dazu beitragen, dass Menschen in Frieden und Freiheit leben können", sagt er. Zu einem emotionalen Höhepunkt seiner Laufbahn wird eine Budapest-Reise am 9. November 1989. Lamers begleitet den baden-württembergischen Landtagspräsidenten Erich Schneider, dessen Büro er leitet, als die Mauer in Berlin fällt. "Plötzlich waren wir die ersten Deutschen, die den Ungarn danken konnten, dass sie durch ihre Öffnung der Grenzen Tausenden DDR-Flüchtlingen geholfen hatten", erinnert sich Lamers. Kaum zurück in Deutschland, bucht er einen Flug nach Berlin, wo die Menschen ein Freudenfest feiern. "Ich wollte das mit eigenen Augen sehen", sagt Lamers, "in den Schlüsselstunden eines Landes muss man als Politiker dabei sein."
Abseits solcher weltpolitischer Sternstunden leistet Lamers politische Arbeit an der Basis: Mit 34 Jahren ist er jüngster CDU-Kreisvorsitzender des Landes, neun Jahre - von 1987 bis 1995 - gehört er dem Heidelberger Stadtrat an. Seit seinem Einzug in den Bundestag 1994 ist Heidelberg und später die Region an der Bergstraße sein Wahlkreis. Hier fühlt er sich verwurzelt: Schließlich hat er hier "Politik von der Pike" auf gelernt.
Ob im Wahlkreis, wenn Ausbildungsplätze fehlen, oder in der Außenpolitik - Lamers sucht am liebsten das persönliche Gespräch. Immer wieder trifft er so auf offene Ohren: Gerade ist er in seiner Funktion als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Nato von einer Reise aus Saudi-Arabien zurückgekommen, wo eine von ihm geführte Delegation mit saudi-arabischen Politikern zusammentreffen sollte. Völlig unerwartet wurde diese auch beim König vorgelassen - und diskutierte schließlich mit ihm über Wege der Verständigung zwischen westlicher und islamischer Welt. "Absolut außergewöhnlich", betont Lamers, "normalerweise empfängt der König nur andere Staatsoberhäupter!"
Auf die Kraft des Dialogs setzt Lamers auch dieser Tage: Die Parlamentarische Versammlung (PV) der Nato ist zu ihrer Frühjahrstagung nach Berlin gekommen und es gibt viel, worüber die rund 300 Parlamentarier aus mehr als 50 Ländern diskutieren werden: Wie mit dem Terror in Afghanistan und im Irak umgehen? Wie für Sicherheit gegen Cyber-Angriffe sorgen? Wie den Friedensprozess in Nahost beleben? Große Fragen, für die sich nur im Dialog Antworten finden lassen, davon ist Lamers überzeugt. Die Nato-PV sei dafür das richtige Forum: "Wir können hier zwar keine verbindlichen Entscheidungen fällen", sagt Lamers, "aber diese beeinflussen! Das Parlament sollte man nicht unterschätzen!"