Italien
Ein Gesetz schützt Spitzenpolitiker vor Strafverfolgung
In vier Gerichtsprozesse ist Italiens Minis-terpräsident Silvio Berlusconi derzeit verwickelt. Korruption, Betrug und Bilanzfälschung sind die Vorwürfe, die die Staatsanwälte gegen ihn erhoben haben. Doch seit vergangener Woche muss der 71-Jährige die Justiz nicht mehr fürchten: Nach dem Abgeordnetenhaus hat am 21. Juli auch der italienische Senat mit einer Mehrheit von 171 gegen 128 Stimmen für ein Gesetz gestimmt, das Immunität für die vier höchs-ten Staatsämter in Italien garantiert. Hält Berlusconis Koalition, ist der Ministerpräsident bis zum Ende seiner fünfjährigen Amtszeit vor Strafverfolgung geschützt.
Berlusconi war seit Jahren in unzählige Auseinandersetzungen mit der Justiz verwi-ckelt. Nie war er bislang rechtskräftig verurteilt worden, in einigen Fällen waren die ihm vorgeworfenen Taten, darunter vor allem Korruption, bereits verjährt. Nun, so behauptet die Opposition, sei es dem Medienunternehmer gelungen, sich die Justiz endgültig vom Hals zu schaffen.
Das nach dem Justizminister der Mitte-Rechts-Regierung, Angelino Alfano, benannte Gesetz sieht vor, dass Staatspräsident, Ministerpräsident und die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern für die Dauer einer Amtsperiode nicht mehr juristisch belangt werden können. Die Grundidee der Immunitätsregelung ist, dass die Amtsträger an der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht durch Rechtsstreitigkeiten behindert werden sollen. Schon 2003 hatte Berlusconi als Ministerpräsident versucht, eine entsprechende Regelung einzuführen. Damals erklärte das Verfassungsgericht das Immunitätsgesetz für verfassungswidrig.
Diesmal hat die Regelung aber Chancen zu bestehen, da die Immunität nicht unbegrenzt, sondern nur für die Dauer einer Amtsperiode gilt und Geschädigte in Zivilprozessen Schadensersatzzahlungen gegen die vier Amtsträger erwirken können.
Auch wenn im neuen Gesetz die Verjährung für die Dauer der Immunität aufgeschoben wird, kritisierten Oppositionspolitiker und Kommentatoren die Regelung als ein Gesetz, das sich Berlusconi auf den Leib geschrieben habe. "In einem Verfassungsstaat dürfen keine Souveräne existieren, das Prinzip der Gleichheit ist nun aufgehoben", sagte Anna Finocchiaro von der Demokratischen Partei.
Der ehemalige Staatsanwalt und Chef der Partei "Italien der Werte", Antonio Di Pietro, kündigte eine Volksabstimmung zur Abschaffung des Gesetzes an. "Wenn uns ein Verbrecher regiert, werden wir das erst hinterher erfahren", sagte er. Justizminister Alfano verteidigte das Gesetz als richtig und wies daraufhin, dass auch in anderen westlichen Staaten entsprechende Regelungen existierten.