Nach jahrelanger Vorarbeit von Germanisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und endlosen Diskussionen waren sich die Kultusminister der deutschen Länder einig: Vom 1. August 1998 an sollte im deutschsprachigen Raum eine reformierte Rechtschreibung gelten, allerdings mit einer langen Übergangszeit bis 2007. Aus dem "daß" wurde, wie zuvor schon in der Schweiz üblich, ein "dass".
Schüler, Journalisten und Schriftsteller protestierten lautstark gegen den vermeintlichen Traditionsbruch. Bis vor das Bundesverfassungsgericht zogen die Kläger, weil sie dem Staat einen Eingriff in die Grundrechte von Schülern und Eltern vorwarfen. Dabei hatte es in den Jahren zuvor viel drastischere Vorschläge gegeben: Radikalreformer wollten die Kleinschreibung der Substantive durchsetzen, wie sie in den meisten Sprachen üblich ist - ein Vorschlag ohne Chance auf Verwirklichung. Vor zwei Jahren schließlich milderte der "Rat für deutsche Rechtschreibung" die Reform etwas ab und erlaubte in vielen Fällen das Nebeneinander von alter und neuer Schreibweise.
Um alle zu beruhigen, die noch mit den neuen Regeln kämpfen: Ins Gefängnis kommt in Deutschland wegen nicht befolgter Kommaregeln oder der eigenwilligen Schreibweise von Fremdwörtern niemand. Der Staat darf zwar Regeln erlassen, an die sich Beamte, Schüler und Richter halten müssen, doch als Gesetze gelten diese nicht. Im Brief an die Oma, in der Geburtstagseinladung oder in Menükarten muss sich - rein rechtlich - keiner an die neue Rechtschreibung halten. Und viele tun es ja auch nicht - bewusst oder unbewusst.