Generation 50 plus
Fortbildung für Ältere ist noch selten
Die Forscher in Dortmund sind einigermaßen ratlos. Den Spezialisten vom Institut für Arbeitsphysiologie ist es ein Rätsel, warum in Deutschland kaum jemand ernsthaft wissen will, wie sich das Lernen im Alter verändert. "In Amerika wurden dazu schon vor 20 Jahren Kongresse abgehalten", berichtet der Neurophysiologe Michael Falkenstein. "Hier weiß man darüber erst etwas, seit die demographische Entwicklung es unvermeidbar macht." Noch unbedarfter, fügt sein Kollege Klaus-Helmut Schmidt hinzu, stehen die deutschen Unternehmen ihren alternden Mitarbeitern gegenüber. "Wie man Weiterbildung altersgerecht macht, daran ist offenbar keiner interessiert", sagt er.
Knapp die Hälfte aller Arbeitnehmer - die Hälfte aller potentiellen Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung also - wird schon 2020 älter als 50 Jahre sein. Und noch die rund 17.000 Institute, die in Deutschland einschlägige Kurse und Seminare anbieten, sollen sich darauf noch nicht vorbereitet haben? "Die Unternehmen und die Anbieter stellen sich auf die Entwicklung ein", beruhigt Carsten Löwe vom Wuppertaler Kreis, dem Bundesverband berufliche Weiterbildung. Eine Spezialisierung auf Ältere aber wird es nach seiner Einschätzung nicht geben. "Eher werden konventionelle Angebote um Aspekte wie Fragen zur Organisation altersgemischter Teams ergänzt."
Einen so bedenklichen wie vielsagenden Grund dafür nennt Jan Kuper vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. "Wir haben lange darüber diskutiert", berichtet er. "Aber wer sich spezifisch an Ältere richtet, der macht sich angreifbar. Denn dann heißt es: Da sitzen die Deppen." Das Thema bleibt vorerst also den Wissenschaftlern vorbehalten. Die Lehren aus ihrer Forschung sind einerseits ermutigend: Lernfähig sind Menschen auch noch mit 60 Jahren. Dank ihres Erfahrungswissens sind sie jüngeren Kollegen in mancher Hinsicht sogar überlegen: Sie können oft besser kopfrechnen und behalten in Stresssitua- tionen die Ruhe.
Andererseits sind die Ergebnisse ernüchternd. Die Fähigkeit, sich auf unbekannte Situationen einzustellen, lässt nach. Deshalb sind für Ältere nicht nur andere Lerninhalte, sondern auch eine andere Lernorganisation sinnvoll. "Man sollte ihr Arbeitsgedächtnis entlasten", rät Klaus-Helmut Schmidt. "Und ihnen mehr Zeit zum Lernen geben." Außerdem schwinde mit den Jahren die Fehlertoleranz, die Methode "Versuch und Irrtum" sei deshalb wenig erfolgreich. Zwei weitere Tipps gibt Sven Voelpel vom Jacobs Center for Lifelong Learning in Bremen: Ältere fühlen sich in klassischen Seminaren weniger gut aufgehoben als beim selbstgesteuerten Lernen alleine oder in Gruppen. Und sie wollen meistens nicht auf Vorrat lernen, sondern im engen Zusammenhang mit ihrer beruflichen Praxis.
Das Rezept glückt nach Ansicht der Forscher jedoch nur, wenn gleichzeitig die geistige Beweglichkeit trainiert wird. Michael Falkenstein testet dies seit April 2007 beim Autobauer Opel mit dem "Programm zur Förderung und zum Erhalt der intellektuellen Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer". Den Fließbandarbeitern in Bochum werden Gehirnjogging, Sport und lernförderliche Ernährung angeboten.
Was hier ein Pilotprojekt ist, gehört in anderen Ländern zum Alltag. "Die Finnen haben damit in den achtziger Jahren angefangen", räumt Gabriele Freude von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ein. So wissen die deutschen Weiterbildungsanbieter zumindest, wo sie eilig abkupfern können, wenn in zehn Jahren kein Weg mehr an eigens für ihre älteren Beschäftigten zugeschnittenen Angeboten vorbeiführt.